Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Im Podcast "Dienstags im Koi" bespricht die Redaktion von Kultur Management Network einmal im Monat aktuelle Kulturmanagement-Themen. Julia Jakob, die Chefredakteurin des Magazins, und Kristin Oswald, die Leiterin der Online-Redaktion, teilen darin ihre Gedanken zu Entwicklungen im Kulturbetrieb.
Seit der Pandemie arbeitet das Team von Kultur Management Network vor allem im Homeoffice. Nur der Dienstag ist der feste Bürotag und das bedeutet auch: Wir gehen zum Mittagessen ins Koi7, unser Weimarer Lieblingsrestaurant. Der Name Koi7 geht auf das altgriechische Wort Koine zurück, das gemeinsame Sprache bedeutet. Dazu passend besprechen wir im Koi7, was gerade in der Welt und im Kulturbetrieb passiert. Was läge also näher, als einen Podcast danach zu benennen?
Wie unsere Mittagspausen im Koi7 ist auch der Podcast ein Plausch, hier zwischen Jule und Kristin, hin und wieder begleitet von unserem Chef Dirk Schütz oder anderen Teammitgliedern. In den bisherigen, vor allem textgebundenen Formaten der Redaktion gab es keinen Platz für diese Gespräche. In "Dienstags in Koi" teilen Jule und Kristin ihre jahrelangen Erfahrungen und ihr Wissen über den Kulturbereich, ordnen aktuelle Themen ein und geben Einblicke in ihren Redaktionsalltag. Zudem veröffentlichen wir im Podcast Interviews, die die Redaktionsdamen mit Kulturschaffenden führen. Damit ist "Dienstags im Koi" einer der wenigen redaktionellen, spartenübergreifenden Kulturmanagement-Podcasts.
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Ein Podcast der KM Kulturmanagement Network GmbH.
Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Interview mit Anja Hoffmann und Jens Bortloff: Arbeitsbedingungen in der musealen Bildungsarbeit
Vermittlung galt lange als prekäre Notlösung für jene, denen die Qualifizierung für „echte“ Museumsarbeit fehlt. Einen Überblick über die heutigen Rahmenbedingungen dieses Arbeitsfelds in deutschen Museen geben Anja Hoffmann (DASA Arbeitswelt Ausstellung Dortmund) und Jens Bortloff (TECHNOSEUM Mannheim) im Interview. Beide haben langjährige Erfahrung in musealer Vermittlung bzw. Verwaltung sowie als (ehemalige) Sprecher*innen der Arbeitskreise zu diesen Themen im Deutschen Museumsbund.
Schriftliches Interview im KMN Magazin ab Seite 29: https://www.kulturmanagement.net/dlf/bdebf67d74d6dc9b94e6845cb2c4459f,8.pdf
Herrenberg-Urteil: https://www.kulturrat.de/presse/pressemitteilung/herrenberg-urteil-atempause-fuer-bildungsanbieter-und-honorarkraefte/
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Arbeitsbedingungen in der musealen Bildungsarbeit. Das Gespräch führte Kristin Oswald.
Liebe Frau Hoffmann, was gehört heute zur Arbeit in der musealen Vermittlung?
Anja Hoffmann: Die klassische Führung gehört an vielen Häusern immer noch zu den am meisten gebuchten und geschätzten Vermittlungsangeboten. Aber natürlich sind die Formate heute so vielfältig wie unsere Besucher*innen und deren Bedürfnisse. Wenn Vermittlung mit Kommunikation verknüp# ist, gehört auch Social Media dazu. Wenn wir Bildung als Kernnehmen, geht es auch um Ausstellungsdidaktik, also in kuratorischen Prozessen so mitzuwirken, dass Ausstellungen zielgruppengerecht aufbreitet sind, und darauf au&auend Formate zu entwickeln. Der Vielfalt der Formate und Aufgaben sind also fast keine Grenzen gesetzt, auch wenn der direkte Kontakt mit den Objekten für die meisten Museen immer noch am wichtigsten ist.
Und wie steht es um die Anerkennung innerhalb der Museen?
AH: Bildung und Vermi lung sind mi en im Museum angekommen, auch
was die Anerkennung angeht. Zumindest die großen Häuser haben eigene
Abteilungen dafür, mit einer großen Struktur und unterschiedlichen Be-
rufsbildern. Und auch in kleineren Häusern weiß man den Wert zu schätzen. Das bildet sich auch in der Förderlandschaft ab, an den Universitäten
und Hochschulen oder in der Art, wie die großen Verbände mit Bildung und
Vermi lung umgehen.
Herr Bortloff, ist es auf der Verwaltungsebene ähnlich? Entspricht etwa die
Bezahlung der Vermittler*innen deren Anerkennung?
Jens Bortlo!: Mitunter ist noch immer ausschlaggebend, wie viel Geld
man „übrig“ hat, und dann wird nach Kassenlage bezahlt. Das ist nicht nur
ethisch problematisch, sondern bei Anstellungen nach Tarifvertrag auch
rechtlich falsch, da man hier die Tätigkeiten eingruppieren und entspre-
chend bezahlen muss. Für eine vermi elnde Tätigkeit ist allerdings in der
Regel kein Masterabschluss erforderlich, sodass dafür keine E-13 angesetzt
werden kann – außer für konzeptionelle museumspädagogische Tätigkei-
ten. Für die operative Vermi lung reicht ein Bachelorabschluss oder der
Weg dahin aus. Auch wenn jemand gerade studiert, kann man die Person im
Einzelfall zum Beispiel in die Gruppe 9b einordnen.
Welche Informationen gibt es denn über die Menschen, die in der Vermitt-
lung arbeiten?
AH: Es sind nach wie vor deutlich mehr Frauen als Männer in diesem
Berufsfeld tätig. Und bei den festangestellten Kolleg*innen stellen wir
langsam den Generationenwechsel fest. Das ist auch schön, weil die neuen
jungen Kolleg*innen aus anderen Studiengängen und mit anderen Qua-
lifikationen kommen, was ich sehr bereichernd finde. Ansonsten ist der
überwiegende Teil freiberuflich tätig, insbesondere in der operativen Ver-
mi lungsebene.
Das bestätigt auch die Studie „Ausgerechnet: Museen“ vom Juli 2025. Wa-
rum ist dieser Anteil so hoch?
JB: Meine Erklärung dazu ist: Der Bildungsgedanke im Museumswesen
ist in den 1920er-Jahren erstmals aufgetreten. Aber bis in die 90er-Jahre
standen keine Stellen dafür zur Verfügung, also nahm man freiberufliche
Mitarbeitende. Meiner Meinung nach muss ein Museum einen bestmög-
lichen Einfluss auf die Vermi lungsarbeit nehmen können, aber gerade
diese direkte Verbindung zum Publikum gibt man aus der Hand. Erst später
kam vor allem durch Betriebsprüfungen der Deutschen Rentenversicherung
das Verständnis auf, dass die Freiberuflichkeit eine juristische Grenze hat.
Teilweise wurde sie von den Gerichten auch als unzulässig bewertet. Und
dann musste man gegensteuern. Ich habe daher eher den Eindruck, dass das
angestellte Vermi lungspersonal zunimmt.Laut den Zahlen des Instituts für Museumsforschung zur Vermittlung hat
die Freiberuflichkeit seit 2017 zugenommen. Mir erscheint es aber auch
eher so, als gäbe es mehr feste Stellen. Frau Hoffmann, wie ist Ihr Ein-
druck?
AH: Ja, das würde ich unterschreiben. Gleichzeitig ist es eine Frage von An-
gebot und Nachfrage. Angesichts von Digitalisierung, Diversität, Individua-
lisierung usw. als Aufgaben auch für die Vermi lung ist es kaum möglich,
dass die meist wenigen Personen im Museum das alles beherrschen. Meine
Hypothese wäre deshalb, dass es durch diese Vielfalt an Bedürfnissen und
Angeboten mehr freiberufliche Spezialist*innen gibt, die für bestimmte
Aufgaben eingekau# werden. Zudem arbeiten gerade in der operativen per-
sonellen Vermi lung viele Quereinsteiger*innen für ein paar Stunden die
Woche, überwiegend Frauen. Es gibt hier also Bedarfe nach Freiberuflich-
keit von Seiten der Menschen, die in diesen Berufszweig einsteigen wollen.
Ich vermute, dass diese Kombination der Grund dafür ist, dass die Zahlen
steigen.
Während der Tagung 2023 der Arbeitskreise Verwaltungsleitung und Bil-
dung und Vermittlung wurden verschiedene Modelle dafür diskutiert, wie
Vermittler*innen an den Museen tätig sind. Können Sie das Spektrum kurz
vorstellen?
JB: Ein Modell ist, dass alles an einen zentralen Museumspädagogischen
Dienst ausgelagert wird, bei dem die Museen die Vermi lungskrä#e
abrufen, gerade in größeren Städten. Das muss der jeweilige Museums-
dienst dann sozialversicherungsrechtlich gut und zulässig gestalten. Der
Nachteil ist, dass diese Personen keine direkte Beziehung zu den einzelnen
Museen haben. Viele Museen beschäftigten auch nur freie Mitarbeitende.
Das ist nicht per se schlecht, denn das sind hochspezialisierte Menschen,
die das wunderbar machen. Aber rechtlich gesehen darf ein Museum kein
enges Weisungsverhältnis zu diesen Krä#en haben, man kann sie also
nicht so in den Betrieb integrieren wie die Mitarbeitenden. Dann gibt es
Museen, die nur angestellte museumspädagogische Kräfte haben. Diese gehören richtig ins Team, man kann ihnen Weisungen erteilen, Dinge ge-
meinsam entwickeln usw. Und es gibt eine Mischvariante: Für bestimmte
Veranstaltungen wie Führungen werden freie Mitarbeitende eingesetzt,
weil man da die inhaltliche Leine lockerlassen kann. Aber Formate wie
Workshops übernimmt angestelltes Vermi lungspersonal. Es gibt also
kein Patentmodell, sondern jedes Museum muss selbst entscheiden, wel-
ches das richtige ist.
Freiberufliche Vermittlung im Museum hat den Ruf, prekär zu sein und
auch belastend aufgrund der damit verbundenen Unsicherheit. Hat sich
diese Situation verbessert?
AH: Ja, viele Häuser haben die Honorare angehoben und viele Verbände
geben inzwischen konkrete Honorarempfehlungen. Vor allem ist aber auf
beiden Seiten das Bewusstsein dafür gestiegen, dass freiberufliche Vermi -
ler*innen ein Geschä# betreiben und von ihrem Honorar auch Steuern,
Versicherungen und Nebenkosten bezahlen müssen. Gleichzeitig hat vieler-
orts eine Professionalisierung eingesetzt. Teilweise müssen die Museen
den Forderungen der Freiberufler*innen auch deshalb nachkommen, weil
die Nachfrage nach museumspädagogischen Angeboten ungebrochen ist,
aufgrund der Arbeitsmarktlage aber weniger qualifizierte Krä#e verfügbar
sind. Es arbeiten bspw. immer seltener Studierende semiprofessionell in der
Vermittlung, um sich etwas dazu zu verdienen. Und woran liegt es, dass sich das so verändert hat? Ist es der demografi-
sche Wandel? Oder hat das Sicherheitsbedürfnis zugenommen, etwa in
Folge der Pandemie?
JB: Vermutlich führt beides dazu, dass den Museen weniger Vermi lungs-
krä#e zur Verfügung stehen. Und dann wirken einfach Marktgesetze: Je
geringer das Angebot, desto höher die Preise. In bestimmten Städten ist
es mi lerweile schwer, überhaupt museumspädagogische Krä#e zu be-
kommen, weil es dort zum Beispiel keine Universität gibt. Dann muss die
Anreise aus anderen Städten bezahlt werden, was auch getan wird. Das sind
ganz andere Zeiten als noch vor 10, 20 Jahren.
Nun stehen im öffentlichen Kulturbereich umfangreiche Kürzungen an. In-
wieweit kann das die Situation wieder verändern?
AH: Ich finde die Frage wirklich schwierig zu beantworten. Ich könnte
mir vorstellen, dass vom Abbau fester Stellen auch die Bildung von be-
tro!en sein wird. Personelle Vermi lung durch Freiberufler*innen, also
der unmi elbare Kontakt mit den Gästen, ist aber so ein enormes Aus-
hängeschild, dass ich stark ho!e, dass an der Stelle Budgets Bestand haben
werden.
JB: Ich bin auch immer ho!nungsvoll. Das Problem ist, dass es vielen
Museen schon jetzt finanziell nicht sehr gut geht. Und es gibt nur weni-
ge Stellen, an denen man sparen kann, will man keine Leute entlassen.
Eine davon sind die freien Mitarbeitenden. Ich befürchte, dass es auf-
grund dieser Zwänge zu Einschränkungen kommen kann, auch wenn ein
Haus das nicht will. Eine Alternative ist, dass man einen zusätzlichen Tag
schließt, sodass man durch diese Ersparnisse an den Ö!nungstagen ein
gutes Programm bieten kann – und das ist das Wichtigste. Dieses Szenario
gefällt mir nicht, aber man muss abwägen, was besser ist für das Haus und
die Ö!entlichkeit.
Vermittlungsangebote könnten auch teurer werden, was in Hinblick auf
den Zugang für finanziell benachteiligte Gruppen aber auch nicht die
ideale Lösung ist.
AH: Das stimmt. Wenn wir Preise festsetzen, ist es ein Austarieren zwischen
dem, was unsere Gäste sich unserer Einschätzung nach leisten können, und
dem, was die Arbeit wert ist. Man kann auch über Formate mit weniger
personeller Vermi lung nachdenken. Aber Evaluationen zeigen, dass kein
anderes Format diese Qualität erreicht.
Zusätzlich schränkt das Herrenberg-Urteil Freiberuflichkeit wohl stark ein.
Kann das auch Auswirkungen auf die Museen haben?
JB: Ja, „Herrenberg“ ist relevant in der Museumsszene und wird auch disku-
tiert. Es gab zuvor nur sehr wenige Urteile für diesen Bereich. Nach einem
Urteil des Landessozialgerichts Baden-Wür emberg werden Vermi lungs-
krä#e als Dozenten angesehen und haben damit den gleichen Status wie
Lehrkrä#e an Musikschulen oder Volkshochschulen. Entsprechend ist das
Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts, das eine Musikschullehrerin
betraf, auch für Museen maßgebend. Und das ist eine wesentliche Ver-
schärfung der bisherigen Rechtslage. Demnach ist die Weisungsgebunden-
heit, die bisher als ausschlaggebend betrachtet wurde, gar nicht mehr so relevant, weil solche Lehrkräfte immer eine große Weisungsfreiheit haben.
Sie gelten aber jetzt nur als selbstständig, wenn sie ein großes unternehme-
risches Risiko tragen – es beispielsweise keine Ausfallhonorare gibt –, sie
nicht in die Institution eingegliedert sind, sie sich vertreten lassen, eigene
Kunden zu akquirieren, auf eigene Rechnung handeln und ihre Arbeitszei-
ten selbst bestimmen können. All das ist mit einer guten musealen Ver-
mi lung kaum mehr vereinbar. Nun gibt es zwar eine Übergangsregelung
bis Ende 2026, sofern die Lehrkra# zustimmt. Aber das ist eine Schonfrist.
Danach wird es für die Selbstständigkeit in der Museumspädagogik leider
schwieriger als bislang. Frau Hoffmann, würden Sie zustimmen, dass das ein „Leider“ ist? Oder ist
es in Hinblick auf berufliche Sicherheit auch eine Verbesserung?
AH: Es ist dahingehend ein „Leider“, dass nicht alle Museen Vermi ler*in-
nen festanstellen können. Aber das Urteil kann natürlich auch zu einer
weiteren Professionalisierung führen. Gleichzeitig müssen wir Museen prü-
fen, unter welchen Konditionen wir mit den Kolleg*innen arbeiten. Zum
Beispiel treiben die Freiberufler*innen mitunter ihr Geld selbst ein, wenn
Besucher*innen nicht kommen. Müssen das dann die Museen machen? Was
das Modell auf allen Ebenen für die Museen bedeutet, muss also erst noch
von A nach Z durchdacht werden.
JB: Ich habe deswegen „leider“ gesagt, weil ich die Wahlfreiheit gut finde
– also, dass es freie Mitarbeitende geben kann, wenn es für alle Beteiligten
das am besten geeignete Modell ist. Natürlich bin ich gegen Missbrauch
der freien Mitarbeit und dafür, möglichst viele angestellte Vermi lungs-
krä#e zu haben, wenn das für die Beteiligten das Richtige ist. Aber das
Urteil des Landessozialgerichts Baden-Wür emberg war da einfach praxis-
gerechter. „Herrenberg“ ist aus meiner Sicht hier zu rigoros, es führt dazu,
dass die Museen die Freiheit nicht mehr haben, ihren Betrieb so zu organi-
sieren, wie es für sie richtig ist. Angestellte Museumskrä#e können sich,
wenn überhaupt, nur die größeren Museen leisten. Für die kleineren ist
nicht nur die Bezahlung ein Problem, sondern auch der Aufwand, jemanden einzustellen. Wenn „Herrenberg“ dazu führt, dass manche Museen
keine Vermi lung mehr anbieten können, ist das Urteil nicht gut für die
Museumsbranche.
Laut „Ausgerechnet: Museen“ 2023 geschieht ein großer Teil der Vermitt-
lungsangebote im Museum als Nebenaufgabe oder ehrenamtlich. Was
bedeutet das in Bezug auf die Professionalisierung?
AH: Ich sehe da keinen Widerspruch. Auch ein ehrenamtlich geführtes Haus
oder Mitarbeitende mit anderen Schwerpunkten können gute Vermi -
lung machen. Das Wichtigste ist, dass das auf einem Fundament steht. Das
Minimum ist ein Bildungskonzept, das Zielgruppen und Ziele festlegt und
über das man die Qualität steuern kann. Die Zeit dafür muss man sich ein-
mal nehmen und dann alle drei bis fünf Jahre prüfen, ob man nachjustieren
muss. Ich kenne viele Klein- und Kleinstmuseen, in denen die Museums-
leitung auch in sehr kleinen Teams oder mit Unterstützung freiberuflicher
Honorarkrä#e ein Bildungskonzept entwickelt hat, in dem sich die Ver-
mi lung entfalten kann. Darauf au&auend können Angebote so groß oder
so klein, so vielfältig oder so fokussiert entwickelt werden, wie das jeweilige
Museum es braucht. Wenn die Vermi lung gut strukturiert ist und alle wis-
sen, was sie tun, kann gut das funktionieren. Und mit einem Bildungskon-
zept kann man auch Mittel einwerben. Mich inspiriert immer wieder, dass
gerade im ländlichen Bereich häufig sehr gut in Kooperationen gearbeitet
wird mit dem Kindergarten oder der Grundschule in der Nachbarscha#.
Hier können sich kleine Museen pädagogische, didaktische Expertise holen,
gemeinsam Angebote erarbeiten und Synergien scha!en – auch auf ehren-
amtlicher Basis.
JB: Ich möchte auch eine Lanze für die ehrenamtlich betriebenen Museen
brechen. Das sind nicht nur sehr viele Museen – wohl die meisten –, son-
dern sie haben auch eine enorme gesellscha#liche Bedeutung. Manchmal
sind sie die einzigen kulturellen Einrichtungen weit und breit, gerade auf
dem Land. In diesem Bereich muss nicht alles professionell laufen. Und
genauso wie bei den großen Museen gibt es da ganz unterschiedliche
Häuser und auch richtig gute. Die Landesmuseumsverbände und Landesstellen leisten im Übrigen hier gute Dienste. Wir Museumsprofis sollten
die Nase da nicht hochtragen, sondern diese Häuser auch anerkennend
fördern. Gibt es abschließend noch ein Thema, das Ihnen auf dem Herzen liegt und
über das Sie gern sprechen würden?
AH: Das gibt es tatsächlich. Für mich ist Bildung für nachhaltige Entwick-
lung ein inspirierendes neues Arbeitsfeld, das viele Aspekte bündelt und
fokussiert. Ganz unterschiedliche Häuser nutzen die Ausrichtung dieses
Bildungsmodells auf zukun#sorientiertes Handeln und Empowern von
Menschen, um sich zu ö!nen. Und dabei vereinen sie all die vielen emen
wie Inklusion, Diversität oder Partizipation unter einem Dach, um konse-
quent in Sachen Bildung in die Zukun# zu gehen.
JB: Ich möchte zwei Aspekte nennen, fast schon einen Appell formulieren.
Einmal sollten die Museen Vermi lung noch mehr schätzen, noch wichti-
ger nehmen und fördern. Das ist teilweise immer noch unter Wert. Ich will
sogar so weit gehen, dass die Museen die Bildungsarbeit genauso wichtig
nehmen sollten wie die Ausstellungsarbeit und nicht als deren Anhängsel
betrachten. Der andere Appell ist, dass die ö!entlichen Geldgeber darauf
achten müssen, dass die wertvolle Arbeit, die in der musealen Vermi lung
geleistet wird, nicht zu stark leidet. Die Bildung an Museen wird in der
Gesellscha# und in der Politik als etwas Freiwilliges betrachtet und nicht
genauso geachtet wie die Bildungsarbeit von klassischen Bildungseinrich-
tungen, insbesondere Schulen. Das halte ich für einen großen Fehler. Jede
Institution muss, wo nötig, ihren Beitrag zu Einsparungen leisten, aber
gerade in der digitalen Welt wird meines Erachtens der analoge Museums-
besuch immer wichtiger werden.
Ich danke Ihnen dafür, dass Sie Ihre Zeit und Ihre Expertise mit uns geteilt
haben.