Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net

Folge 9: Kulturräume

Julia Jakob, Kristin Oswald, Dirk Schütz, Olivier Marchal Season 1 Episode 18

In der 9. Folge von "Dienstags im Koi. Ein Podcast von kulturmanagement.net" rekapitulieren Julia, Kristin und Dirk den Treffpunkt Kulturmanagement zum Thema Publikumsschwund und die  178. Ausgabe unseres Magazins zu Kulturräumen. Hinzu kommt ein Rückblick auf den Redaktionstreff: Abschlussarbeiten zum Kulturbetrieb. Außerdem stellen sie sich der Frage wer das Museum eigentlich ist und ob der Museumsbetrieb mit den Besucherzahlen der Bundesliga mithalten kann.

Magazin Ausgabe 178 Kulturräume: https://cdn.kulturmanagement.net/dlf/3b05a01a41109e747bcecf9d3e9d4f9e,1.pdf

Rainer Glaap, Publikumsschwund: https://www.kulturmanagement.net/Buecher/Publikumsschwund-Ein-Blick-auf-die-Theaterstatistik-seit-1949,2283

89. Treffpunkt Kulturmanagement: Publikumsschwund - Erkenntnisse & mögliche Zukunftsszenarien: https://www.youtube.com/watch?v=yeJCFLFRU0w

Rückblick 10 Jahre Theatercontrolling: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Rueckblick-10-Jahre-Forum-Theatercontrolling-Wie-alles-begann-und-wohin-es-gehen-koennte,4635

Ort der Wärme im Humboldt Forum: https://www.humboldtforum.org/de/presse/mitteilungen/ort-der-waerme-im-humboldt-forum-ueber-12-000-besuche/

Magazin Ausgabe No.102 Provinz: https://www.kulturmanagement.net/dlf/0792d52aaece6b25e9b11c2ed4980164,1.pdf

Osten-Festival: https://osten-festival.de/

Arts Management Quarterly No.136 Serving Communities: https://www.artsmanagement.net/dlf/1d61abc9505a39088907a677250b2678,1.pdf

Transkription der Folge: https://www.buzzsprout.com/2204591/episodes/15347910

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Folge 9 Kulturräume

Intro

Ihr hört Dienstags im Koi, der Podcast von Kulturmanagement.net mit Kristin Oswald und Julia Jakob im monatlichen Gespräch über die Kulturwelt.

 

Julia Jakob

Hallo, liebe Hörende, zu dieser Juli-Ausgabe unseres Podcasts Dienstags im Koi. Wir nehmen heute am 18. Juni bereits auf. Wenn ihr die Folge hört, sind also schon ein paar Wochen vergangen. Das heißt, alles, was wir heute besprechen, ist eventuell nicht tagesaktuell. Aber die Themen, die wir auf der Agenda haben, dafür umso mehr. Wir blicken nämlich zurück auf zwei sehr volle und ereignisreiche Wochen. Zum einen haben wir am 10. Juni unser Juni-Magazin zum Thema Kulturräume veröffentlicht und hatten in der Woche davor aber bereits ein KM-Redaktionstreff mit unseren Studierenden und dann letzte Woche Mittwoch am 12. Juni auch mal wieder seit Ewigkeiten ein KM-Treff zum Thema Publikumsschwund mit Rainer Glaap, Dieter Haselbach und Oliver Tewes-Schünzel. Das sind heute sehr volle Themen, über die wir sprechen und reflektieren können. Vielleicht gebe ich da mal kurz an euch das Wort.

 

Kristin Oswald

Vielleicht sollten wir einmal für alle, die das nicht wissen, eigentlich erklären, was der Unterschied zwischen einem KM-Redaktionstreff und einem KM-Treff ist. Also den KM-Treff oder Treff von Kulturmanagement, den gibt es schon sehr lange, Dirk, seit 12, 15... 

 

Dirk Schütz

Länger….

 

Kristin Oswald

… als ich bei Kulturmanagement Network bin und das ist schon lange.

 

Julia Jakob

Ich glaube, ich habe immer gesagt, seit 2010.

 

Dirk Schütz

Ja, als Webinar, genau, schon sehr, sehr früh.

 

Kristin Oswald

Und das ist gestartet als Webinar Reihe zu Themen des Kulturmanagements, eine Mischung aus Impulsen, also es gab immer ReferentInnen und aber auch immer eine intensive Diskussion mit vielen Beteiligten. In den letzten Jahren ist das aus verschiedenen Gründen ein bisschen weniger geworden. Einer der Gründe ist sicherlich, dass es inzwischen einfach auch sehr viele ähnliche Talk-Formate gibt, quasi so, dass sich immer die Frage stellt, wird es den Kulturschaffenden, wird es unseren User*innen vielleicht dann auch ein bisschen viel und was sind eigentlich Themen, die man gut auch in Form von Impulsen aufbereiten und dann in eine Diskussion geben kann. Von daher veranstalten wir gar nicht mehr so viele KM-Treffs, aber von Zeit zu Zeit bietet es sich dennoch sehr an und wir sind natürlich sehr froh über diesen KM-Treff, den wir jetzt im Juni gemacht haben, denn der war gleichzeitig auch die Buchpräsentation für Rainer Glaaps Buch Publikumsschwund über die Theaterstatistik seit 1949, glaube ich. Genau, und dann haben wir, ich glaube, im letzten Jahr damit angefangen, KM-Redaktionstreffs zu machen. Die unterscheiden sich quasi dadurch, dass wir uns darin mit unserer Community, mit unseren Nutzer*innen über die Redaktionsarbeit im weitesten Sinne austauschen. Das heißt, es ist mehr eben ein Community-Format, ein Gesprächsformat, das nicht unbedingt nur quasi dem Lernen dient, sondern auch uns hilft, die Bedürfnisse unserer Community ein bisschen besser zu verstehen, Fragen, die sie haben, Verbesserungsvorschläge. Und es ist vor allem ein geschütztes Format, denn den KM-Treff zeichnen wir meistens auf und stellen ihn auf unserem YouTube-Kanal zur Verfügung. Falls ihr also das Format nicht kennt, findet ihr dort die Aufzeichnung von nicht allen, aber sehr vielen auf jeden Fall KM-Treffs der Vergangenheit. Während der Redaktionstreff immer ein geschlossenes Format ist, das wir nicht aufzeichnen und nicht veröffentlichen, damit es eben auch dazu dienen kann, dass Menschen vielleicht Hürden, vielleicht auch eher unangenehme Fragen oder Erfahrungen mit uns in kleiner Gruppe teilen können, aus welchen Gründen auch immer, sei es, damit wir damit weiterarbeiten können, vielleicht sei es, weil sie Rückfragen an uns haben, sich Hilfe erhoffen, Gleichgesinnte suchen, was auch immer. Genau, also von daher haben wir quasi dieses zweite Format eingeführt, damit so die Gespräche über die tägliche Arbeit sowohl bei uns in der Redaktion als auch in den Kulturbetrieben einen Raum haben, in dem sie sicher stattfinden können. Und auch, weil wir durchaus gemerkt haben in den vielen Jahren, dass wir zwar sehr viele Kulturschaffende persönlich kennen, dass das natürlich aber längst nicht alle Menschen sind, die Kulturmanagement Network auch nutzen. Und von daher ist der KM-Redaktionstreff auch ein gutes Format, einfach um uns kennenzulernen, um mal zu sehen, wer wir sind, was wir so machen, den ganzen Tag und genau darüber vielleicht nochmal auch besser zu verstehen, was eigentlich Kulturmanagement Network ist.Weil wir ja immer wieder merken, dass es ganz viele verschiedene Vorstellungen darüber gibt. Und genau, sodass wir das da auch immer gerne ein bisschen transparent nochmal machen.

 

Julia Jakob

Ja, und gleichzeitig ist der Redaktionstreff aktuell ja für uns auch so ein Experimentierfeld, bei dem wir auch sehr ergebnisoffen rangehen. Und ich weiß, den ersten hatten wir genau vor einem Jahr, damals auch zum Thema Fachkräftemangel, wo wir so einen „Meet the Editors“ eigentlich veranstalten wollten. Und dann haben wir nur die jeweiligen Autor*innen der Ausgabe zum Thema Fachkräftemangel unseres Magazins dann aber auch tatsächlich nur anwesend gewesen sind, was vielleicht etwas auch an der Uhrzeit gelegen haben mag, zu der wir das haben stattfinden lassen. Und aber vielleicht auch die Vorlaufszeit. Ich glaube, wir haben das sehr eng an den Magazinrelease damals auch geknüpft, sodass vielleicht noch gar nicht so viele Menschen damals auch die Möglichkeit hatten, es zu lesen. Während zu unserem Redaktionstreff, bei dem es um unsere Themensetzung für 2024 der redaktionellen Inhalte gehen sollte, wir sehr erstaunt waren über die Resonanz, weil es ja doch ein sehr viel geschlossenes und auf uns bezogenes Thema war. Und das aber ja zum einen Menschen, die schön für uns geschrieben haben, dankenswert aufgenommen haben, als auch Leute, die uns eben lesen und da dann auch sehr froh waren, ein bisschen Feedback auch zu unserer redaktionellen Arbeit an sich zu geben und dabei auch mitbestimmen zu können, wohin die redaktionelle Ausrichtung für 2024 dann auch geht.

 

Kristin Oswald

Ja, ich glaube, das liegt an ganz vielen verschiedenen Faktoren. Also zum einen, es gibt einfach inzwischen, wie ich gesagt habe, wahnsinnig viele Formate, über die man sich über Themen informieren kann. Und ich sage mal, das ist natürlich dahingehend problematisch, dass man ja gar nicht die Zeit hat, um hier an 20 Webinaren in der Woche teilzunehmen, um zu schauen. Also das heißt, da ist ganz klar, dass man auch in der Kulturarbeit dann priorisieren muss, was ist das Thema, was mich gerade interessiert. Und ich habe auch das Gefühl, da können wir auch in Bezug auf den Redaktionstreffen mit den Studierenden vor zwei Wochen gleich nochmal drüber sprechen, ganz viele wollen eigentlich mehr Input als Austausch. Also ganz viele wollen eigentlich mehr, dass ihnen etwas erzählt wird, dass sie dann mehr oder weniger intensiv in ihre tägliche Arbeit einbringen können, als unbedingt darüber dann nochmal zu diskutieren. Oder ich habe auch das Gefühl, Fragen gibt es eigentlich oft gar nicht so intensiv, sondern man nimmt irgendwie erstmal auf und verarbeitet. Und dann ist Fachkräftemangel auch ein sehr spezifisches Thema, über das man ja auch sehr strategisch nachdenken kann und muss und das noch gar nicht so intensiv diskutiert wurde im Kulturbereich so umfangreich, sodass ich glaube, dass viele einfach ja gar nicht wussten, was sie dazu vielleicht beitragen können selber und dass deshalb so dieses reine, dieses ergebnisoffene ja auch immer die Frage ist, zum einen kann ich da was einbringen und zum anderen gehe ich da vielleicht raus nach einer Stunde und das hat mir einfach überhaupt nicht geholfen, weil ich vorher nicht weiß, was mich erwartet. Und ich fand, das haben wir beim Redaktionstreff vor zwei Wochen eigentlich auch ganz gut gemerkt, dass das so ist, denn die Idee war ja dort, Studierende zusammenzubringen, die Studienarbeiten, Bachelorarbeiten, Masterarbeiten zu Kulturmanagement-Themen im weitesten Sinne schreiben, also quasi nicht über kulturelle Inhalte, sondern über Kulturarbeit. Und die das ja aus verschiedenen Studiengängen heraustun können, das müssen ja auch nicht nur Kulturmanagement-Studiengänge sein, die sich vielleicht gar nicht gegenseitig kennen, obwohl sie zu ähnlichen Themen arbeiten, die sich aber vielleicht gegenseitig auch befruchten können und schauen können, wie hat denn eine andere Person auf dieses Thema geguckt, wie ist das irgendwie methodisch untermauert worden, was gibt es vielleicht einfach für Leute und Themen. Und deswegen war die Idee, also auch vielleicht diejenigen, die da schon ein bisschen weiter sind, auch ihre Erfahrungen teilen können. Und am Ende haben wir aber, finde ich, sehr stark gemerkt, dass es eben doch eigentlich scheinbar zumindest die Erwartungshaltung war, dass wir da jetzt ganz viel reingeben über wie schreibt man eine Abschlussarbeit, wie finde ich ein Thema, wie finde ich eine Methodik, wie gehe ich das Ganze irgendwie überhaupt an. Und aber so alles, was Rückfragen und Erfahrungen teilen und sowas war, eigentlich auf eher weniger fruchtbaren Boden gestoßen ist. Wir haben das danach auch intensiv mit unseren eigenen studentischen Mitarbeiter*innen diskutiert, die auch daran teilgenommen haben und die uns eigentlich bestätigt haben, dass es so ziemlich normal ist, was ich erstaunlich finde. Aber ja, dass man eben erstmal diese Informationen haben will, aber zu den Informationen selbst erstmal gar nicht so viel sagen kann oder erstmal gar nicht so viele Fragen vielleicht hat.

 

Julia Jakob

Ja, und ich glaube, der Redaktionstreff mit den Studierenden war ja auch nochmal etwas Besonderes. So rückblickend auf meine eigene Studienlaufbahn fand ich das irgendwie auch immer, je nachdem, wie vertraut man mit einer Runde ist, einfacher oder weniger einfacher dann auch spontan irgendwie ins Gespräch zu kommen beziehungsweise transparent vielleicht auch zu kommunizieren, woran hakt es gerade bei mir. Das ist ja einfach auch etwas, was man lernen muss. Und gerade, wenn man irgendwie sich in der Abschlussarbeiten Phase befindet, es vielleicht umso schwerer fällt, weil man eventuell schon immer wieder im Austausch mit den betreuenden Personen dann vielleicht auch aneinander gerät oder das Gefühl hat, eigentlich weiß ich gar nichts. Oder es ist dann schwieriger, an der Stelle sich einzugestehen, dass man an dem Punkt natürlich sein darf und auch Fehler machen darf beziehungsweise noch unwissend sein darf und in Gesprächen dann aber einfach lernt. Und umso dankbarer war ich für die Personen, die natürlich auch ganz klar gesagt haben. Ich habe erst da und da gemerkt, es ist ein bisschen schwierig und bin dann aber darüber auf das Thema gekommen und das hat mir sehr geholfen. Ich weiß nicht, Dirk, wie fandest du den Austausch mit den Studis?

 

Dirk Schütz

Also ich fand es dahingehend spannend, dass da auch wieder ganz viele Dinge aufkamen, die sich eigentlich seit ich in den 90er Jahren den Studiengang hier in Weimar geleitet habe, nicht verändert zu haben scheinen. Also wenn man schaut, das Fach und auch gerade der Fachverband, die Diskussionen, die in den letzten Jahren dazu geführt haben, da ist ja das Thema Wissenschaftlichkeit, Wissenschaft, Kulturmanagement als Wissenschaft viel, viel stärker geworden, stärker in den Vordergrund getreten. Das scheint aber nicht Schritt zu halten mit dem, was die Studierenden dann entweder vermittelt bekommen oder mitnehmen, sondern es ist immer noch so, dass man denkt, okay, mit dem wissenschaftlichen Arbeiten beschäftigt man sich dann eben erst, wenn wirklich die Abschlussarbeit da ist, was ich merkwürdig finde. Eigentlich müsste das ja gleich am Anfang des Studiums vermittelt werden, wie man wissenschaftlicher arbeitet.

 

Julia Jakob

Nein, man schreibt eigentlich auch genügend Hausarbeit.

 

Dirk Schütz

Dann kommt der Eindruck auch immer wieder durch, dass eben tatsächlich wenig Austauschformat und wenig Kommunikation in den Studiengängen passiert.

 

Kristin Oswald

Oder zwischen den Studiengängen.

 

Dirk Schütz

Auch zwischen den Studiengängen sowieso, aber selbst innerhalb der Studiengänge. Das heißt, dass eben auch die Kommunikation zwischen Lehrenden und Studierenden sich sicherlich auch verbessern kann. Nach wie vor merkt man ganz häufig, das ist ein Dilemma vieler Studiengänge, dass sie eben nicht so multithematisch sein können, sondern eher monothematisch. Was auch meistens an der personellen Ausstattung der Studiengänge hängt und man dann eben doch sehr eingeschränkt ist in der Sichtweise auf den Kulturbetrieb und es schwer ist, da rauszukommen. Also auch dann andere Themen, neue Themen zu finden. Vielleicht kriegt man da auch nicht die richtigen Anregungen. Das ist eine Frage, die ich mir stelle. Und was dann eben auch noch auffällig ist, ist eben wirklich, wie wenig Studiengänge auch diese Chance sehen, selbst wenn es nur Bachelorarbeiten sind oder dann eben auch Masterarbeiten, die ja vielleicht auch in Promotionen dann mal münden können. Wie wenig die Studiengänge das als Chance sehen, sich selbst auch thematisch aufzurüsten, indem einfach die Studierenden auch Themen anpacken, die vielleicht dem Professor oder der Professorin nicht so liegen, aber die mit ihrem wissenschaftlichen Know-how die Leute voranbringen könnte und das eben dann auch mehr Wissen in die Studiengänge bringt. Und da frage ich mich immer, also ich denke mal, das wird gar nicht strategisch gesehen und auch nicht strategisch angegangen. Und gerade bei der Fülle an Themen und Veränderungen, die der Kulturbetrieb gerade hat und Möglichkeiten auch von Themen, die man sich da holen kann, ist das wirklich erstaunlich. Und als Letztes vielleicht noch, es ist mir aufgefallen, wie immer, die wenigsten Studierenden suchen sich Themen aus einer strategischen Sicht. Also auch den Hinweis hatte ich ja in dem Redaktionstreff auch gegeben, dass man wirklich sich auch Themen suchen sollte, nicht nur die einem liegen oder zu denen man einen guten Zugang hat, sondern die einem vielleicht auch sogar helfen beim Einstieg in den Arbeitsmarkt oder auch beim Fortkommen im Arbeitsmarkt, weil man dann eben ein Alleinstellungsmerkmal hat oder sich in Thematiken eingearbeitet hat, wo noch gar nicht so viel Expertise im Kulturbetrieb da ist und sich man dann mit dieser Expertise auch ganz anders im Arbeitsmarkt bewegen könnte. Das sind so die Sachen, die mir auffallen. Das ist jetzt alles eher kritisch gesehen, aber ich glaube, da kann man eben nach wie vor viel machen und da liegt vieles brach seit Jahrzehnten eigentlich.

 

Kristin Oswald

Also da hängen ja ganz viele Sachen noch dran. Das eine ist ja, dass es total spannend ist, dass in klassischen kultur- oder geisteswissenschaftlichen Studiengängen, ja das wissenschaftliche Arbeiten im Mittelpunkt steht, sehr stark im Mittelpunkt steht und die Studis sehr stark quasi daraufhin ausgebildet werden, in der Wissenschaft zu arbeiten und eben nicht beispielsweise im Kulturbetrieb. Und dass es aber in den Kulturmanagementstudiengängen scheinbar genau andersrum ist, dass die Vorbereitung auf den Kulturbetrieb oft viel stärker ist als vielleicht die Vorbereitung auf wissenschaftliches Arbeiten. Oder, also das wissen wir jetzt natürlich nicht, beziehungsweise kann Jule uns gleich, als die Einzige, die Kulturmanagement studiert hat, kann Jule uns da gleich nochmal einen Einblick geben. Aber gleichzeitig frage ich mich und wenn ich an mein eigenes Studium zurückdenke, sehe ich da aber auch ganz viele Parallelen, ob es keine Formate gibt, die die Studis wirklich auf so eine Arbeit vorbereiten. Also ich kann mich erinnern, beim ersten Gespräch mit meinem damaligen Prof. über mein Magisterarbeitsthema, das Gespräch verlief folgendermaßen ungefähr, ja Frau Oswald, was haben Sie sich denn gedacht? Ja, ich weiß auch noch nicht so richtig, wie geht man das denn an? Na, Sie müssen sich mal überlegen, was Sie interessiert. So, so funktionierte das ungefähr. Also so dieses auch weder das strategische noch irgendwie, was sind Lücken, wie finde ich ein Thema, wie baue ich das auf, wie gehe ich auch dieses halbe Jahr, also bei mir war das damals, diese sechs Monate sinnvoll an, wie teile ich das auf, wie mache ich das, das hat niemand, hat das irgendwie mit uns durchdekliniert oder hat sich die Zeit genommen, uns das zu erklären. Ich glaube, man ging einfach davon aus, wenn du ungefähr zwischen 30 und 80 Hausarbeiten im Studium geschrieben hast, dass du das kannst. Aber es ist ja was ganz anderes, wenn ich für eine Hausarbeit drei Wochen Zeit habe und so, in meinem Fall gab es noch keine Bachelorarbeit, dann für die Magisterarbeit auf einmal sechs Monate oder neun Monate, ist das ja eine ganz andere Herausforderung, ein ganz anderer Umfang, über den wir da sprechen. Von daher finde ich das ganz spannend. Und ich glaube auch, dass das strategische aber was ist, oder ein Punkt ist, an dem man im Studium ja noch gar nicht ist, weil du weißt gar nicht, was die Lücken sind. Du weißt gar nicht, was ist denn die Lücke in der Praxis, was sind Arbeitsfelder, die vielleicht gerade erst in die Praxis eindringen. Du kannst ja auch nicht jedes Thema erst mal quasi dir den Forschungsstand aufbereiten, um dann zu gucken, was wurde denn noch nicht beforscht. Also ich glaube, dass das ganz, ganz schwierig ist, rauszufinden, wie positioniere ich mich strategisch, wenn ich entweder gar nicht weiß, was sind Themen, die da Sinn machen würden, vielleicht auch noch gar nicht so richtig weiß, was ist eigentlich ein Arbeitsbereich, in den ich rein möchte. Also man hängt da ja irgendwie so ein bisschen dazwischen.

 

Dirk Schütz

Aber das ist eben genau das Dilemma, das der Bologna-Prozess eben nicht aufgelöst hat. Also in englischsprachigen Ländern, Nordamerika, Großbritannien, ist es völlig normal, nach dem Bachelor in den Betrieb zu gehen, praktische Erfahrungen zu sammeln und dann eigentlich im praktischen Erleben wirklich zu sehen, wo es Probleme gibt oder wo Themen sind und dann, um sich eben vielleicht auch für Führungspositionen zu qualifizieren, dann eben ein Master nachlegt. Und das ist eben in Deutschland nach wie vor nicht so. Die meisten Studierenden im Anschluss gleich vom Bachelor, Master haben dann natürlich sehr wenig Erfahrung im Kulturbetrieb sammeln können und können dann auch gar nicht, was ich eigentlich immer erwarte von Studierenden, tatsächlich sagen, warum sie in den Studiengang angefangen haben. Meistens ist es dann entweder, weil der Ort einem gefällt oder vielleicht andere Umstände. Ich habe es ganz selten erlebt, dass Studierende zu mir explizit gesagt haben, dass das Studienprogramm und das, was sie dort vermittelt bekommen, tatsächlich den Ausschlag gegeben hat für den Studienstandort. Und das erwarte ich eigentlich von Studierenden, die gerade, wenn sie jetzt einen Masterstudiengang anstreben, wirklich nochmal genau reflektieren, was habe ich denn jetzt eigentlich als Rüstzeug aus dem Bachelor mitgenommen? Wo führt mich das eigentlich hin, wenn ich jetzt in den Betrieb gehen würde? Oder was könnte ich denn damit machen? Und wohin führt mich dann das Masterstudium? Was kann ich da vielleicht zusätzlich an Wissen noch mehr aneignen, was mir dann die Chancen im Arbeitsmarkt vergrößert, verbreitert, zuspitzt? Keine Ahnung, was auch immer, aber das findet noch viel zu wenig statt. Und klar, aus meiner Sicht korreliert das damit, dass eben zu wenig praktische Erfahrung tatsächlich da ist. Und man dann genauso bei der Berufswahl und dem Vorstellen, wo man mal hinwill, schwimmt wie im Bachelorstudium auch.

 

Julia Jakob

Ich glaube, was es auch so schwierig macht, einschätzen zu können, ist es jetzt das Studienprogramm, was mich irgendwie überzeugt? Also dafür müsstest du es ja zumindest mal ausprobiert haben. Im besten Fall natürlich in deinem Bachelorstudium, dass du die Hochschule dann auch schon kennst und damit vielleicht dann auch mit den weiterführenden Studieninhalten vertraut bist, dich mit jemandem austauschen kann.

Weil was ich beispielsweise auch immer wieder merke, wenn wir die wenigen, aber dennoch vorhandenen Social-Media-Postings im Zuge von Bewerbungsämtern für Studiengänge erstellen und uns dann auch mit den Studiengangsbeschreibungen auseinandersetzen müssen oder eben auch in unserem Ausbildungsführer, wenn wir den befüllen, das dann auch immer wieder mitbekommen. Das ist vielleicht etwas, das den Kulturbetrieb sowohl in der Praxis als auch dann in der Ausbildung begleitet, dass es den Studiengängen sehr schwerfällt, sich so zu beschreiben oder so zu präsentieren, dass es ansprechend für Studierende ist. Also für junge Menschen, ihnen klarzumachen, hier kannst du das und das, wir bringen dir das und das bei, damit wir dich eben auf die Praxis vorbereiten.

 

Das steht in den allermeisten Fällen, so dieser Satz, natürlich mit drin. Aber was konkret die Praxis jetzt eigentlich an Herausforderungen oder auch an Vorteilen dann für dich mitbringt, die das Studium an der Stelle vielleicht mit Inhalten befüllt, das fehlt leider den allermeisten. Und weil ich vorhin gegrinst habe, und das war auch Kristines Einschub, dass ich vielleicht etwas dazu sagen kann, weil ich hier Kulturmanagement in Weimar studiert habe, wie es hier aussieht. Tatsächlich, das mag in Weimar eine Ausnahme sein, ist dieser Studiengang, auch wenn er Kulturmanagement heißt, sehr wenig auf die Praxis ausgerichtet, gerade was auch Abschlussarbeiten anbelangt. Was ich von Kommiliton*innen an der Stelle auch weiß, ich selber musste meine Masterarbeit in der Musikwissenschaft schreiben, weil das mein Hauptfach gewesen ist, war immer der Fall, dass je praxisrelevanter die Themen ihrer Masterarbeiten gewesen sind, umso schwieriger war der Zugang des alleinigen Betreuers. Also zumindest der Person, die als alleiniger Betreuer sehr lange ausgewiesen wurde. Mittlerweile ist es, glaube ich, auch von Studierenden angefechtet worden und Kritische gefragt worden, ob das tatsächlich nur der Studiengangsleiter sein kann oder ob nicht doch eine andere Person das genauso übernehmen kann als Hauptbetreuer. Und dementsprechend schlechter natürlich auch die Bewertungen ausgefallen sind. Glücklicherweise, wenn man einen Zweitbetreuer oder eine Zweitbetreuerin hatte, die etwas vertrauter vielleicht auch mit dem Thema gewesen ist, wobei das in den allermeisten Fällen dann auch niemand aus dem KUMA-Institut gewesen ist, sondern entweder eine externe Person oder jemand aus der Musikwissenschaft, war die Differenz zwischen den beiden Noten so groß, dass ein Drittgutachter mit dazu bezogen werden musste und danach dann wieder ein gutes Ergebnis auch zum Vorschein kam. Aber es ist halt irgendwie auch sehr frustrierend, wenn man ein praxisrelevantes Thema in seiner Abschlussarbeit überarbeitet, sich dafür richtig viel Zeit nimmt, sich vielleicht auch, gerade was das Thema Nachhaltigkeit anbelangt, also da muss ich immer wieder an Menschen denken, die ich besser kenne, die sich mit ihrer Abschlussarbeit nicht nur richtig reingekniet haben, sondern dann auch erst mal mit der ersten Benotung total auf den Hosenboden gesetzt haben, weil eben die Person, die es betreut hat, nichts damit anfangen konnte. Und sie aber für das Kulturmanagement und den Kulturbetrieb an sich da eine unglaubliche Lücke begonnen haben zu schließen. Und dieser Verdienst aber halt in keiner Weise an der Uni irgendwie erstens bewusst geworden ist und auch ins Verhältnis gesetzt wurde, dass man da dann halt ganz gezielt auch sagt, ey, das ist total cool, was du hier machst, ich empfehle dir den Kontakt oder hast du nicht Lust, dazu weiterzuforschen?Das war zum Glück bei uns in der Musikwissenschaft ein bisschen anders, da hat man schon erkannt, dass Menschen, die gut in ihren wissenschaftlichen Arbeiten Dinge auch erforschen oder Themen auch für sich selber erschließen, die in der Forschung eben noch fehlen, dass man denen vielleicht zumindest mal klar macht, wenn du Lust hast, dann bist du hier auch herzlich willkommen und dann sag nur was und wir gucken, wie wir dich in ein Doktorandenprogramm oder so mit reinbekommen.

 

Kristin Oswald

Das muss man ja sagen, das Problem hast du ja aber in sehr vielen Fächern. Ich bin ja eine klassische Geisteswissenschaftlerin und wenn ich überlege, dass ich schon dafür, dass ich ein Praktikum bei einer Fernsehproduktionsfirma gemacht habe, quasi mit hochgezogener Augenbraue angeschaut wurde in der Uni, weil, Mensch Frau Oswald, Sie waren doch auf einem guten Weg und jetzt machen Sie sowas. Also diese Idee. Und ich glaube, das betrifft sehr viele Studierende, die vielleicht auch nicht im Kulturmanagementstudiengang studieren, diese Idee, Praxis zu erforschen oder anders mal andere Wege für die Forschung zu gehen, ist ja grundsätzlich ein Problem, weil du ja immer die Fachdisziplinen mit ihren eigenen Qualitätskriterien hast und Menschen, die irgendwie 30 Jahre nach denselben Kriterien und Methoden forschen und für die es ganz schwer vorstellbar ist, dass man auch mal was anderes macht und dann hast du natürlich in so einem Kontext zum Beispiel auch das Problem, sagen wir, du willst eben, was ja sehr, sehr viele Abschlussarbeiten im Kulturmanagementbereich tun, auf einer quantitativen oder einer qualitativ Mixed Methods Approach machen, also das heißt, eine Umfrage, tiefe Interviews, Expert*inneninterviews und das dann zusammenbringen und damit ein Status quo überhaupt erst mal erheben, das ist ja der Standard und das ist auch total wichtig, das zu tun, aber wenn ja das in deinem Studium, wenn du das überhaupt noch nie gemacht hast und sagen wir mal, wenn du drei Wochen für eine Hausarbeit hast, dann hast du auch keine Zeit, um sowas zu machen, sondern wenn du eben klassisch irgendwie Literatur auswertest beispielsweise zu einem Thema, dann ist das ja eine doppelte Herausforderung, dass du dann in einer Abschlussarbeit dir auf einmal eine neue Methode aneignen musst, gucken musst, wie geht sowas überhaupt und dann sind wir von methodisch sauber verständlicherweise einfach total weit weg und dann noch jemanden hast, der sagt, ja, aber hätten sie doch mal lieber mehr Literatur ausgewertet und du sagst, ja, aber das ist nicht der Ansatz, das ist nicht die Frage, das ist natürlich in ganz vielen Kontexten ein großes Problem, wir wissen aber auch, dass es in sehr vielen Kulturmanagement- Masterstudiengängen Praxissemester gibt, längerfristige Praxisprojekte, in denen die Studis eben auch genau sowas machen, in denen die Studis beispielsweise auch Konzepte mal für Sachen erstellen und das dann selbst diesen Erstellungsprozess wissenschaftlich begleiten und so, also von daher glaube ich, hat man das Problem vor allem dann, wenn man irgendwie eher an so einen geisteskulturwissenschaftlichen Bereich angedockt ist, dennoch fand ich, haben wir in diesem Redaktionstreff sehr stark gesehen, dass dieser ganze Bereich, wie finde ich ein Thema, wie finde ich eine Partnerorganisation, wie strukturiere ich mich, wie finde ich eine passende Methode, ein ganz großes Fragezeichen irgendwie bei den Leuten immer noch ist und ich mich dann schon frage, liegt es daran, dass sie sich nicht trauen, ihre BetreuerInnen das zu fragen, das wissen wir natürlich nicht oder liegt es daran, dass die BetreuerInnen einfach voraussetzen, dass die das irgendwie halt sich selber aneignen müssen, kann ich nicht sagen und natürlich kann man auch immer sagen, man erwartet eben mehr Selbstständigkeit, mehr sich informieren, was du ja eigentlich aussagst, dieses Strategische und ich mir denke, na ja, kann ich das mit 22 oder 25 tatsächlich von jemandem erwarten?

Wenn ich an mich zurückdenke, dann würde ich sagen, ja, ich kann das jetzt, aber inzwischen bin ich halt auch, mein Studium ist seit 13 Jahren vorbei, weiß ich nicht.

 

Dirk Schütz

Aber du kannst die Studierenden damit konfrontieren, also in den Studiengängen, bei denen ich unterrichtet habe, bin ich immer in den Unterricht reingegangen, in der ersten Stunde, dass ich wirklich auch mich als Role-Model hinterfragen lassen habe, weil wie kann es sein, dass jemand, der Kulturmanagement nicht studiert hat, vor anderen steht und Kulturmanagement vermittelt und darüber mal nachzudenken, wie mich das dahin geführt hat und was das bedeuten kann, das ist ja schon mal ein Anfang und ich habe vor zig Jahren mal, ich weiß gar nicht mehr genau, von welcher Hochschule das war, in Holland, ein wirklich tolles Beispiel gehört, die hatten ein fantastisches Praktikumssystem aufgebaut, weil sie gesagt haben, das Praktikum ist nicht einfach nur ein Add-on, wo die Leute in die Praxis schauen, damit sie auch mal sehen, womit sie sich eigentlich wissenschaftlich beschäftigen, sondern das war ein integrierter Bestandteil des Studiums, das hieß, dieser Studiengang hatte ein ganz ausgefeiltes System, wie sie Praktikumsgeber gesucht haben oder wie sie auch den Austausch mit denen gesucht haben, wie sie quasi die auch vorbereitet haben auf das, was dann kommt, was die Studierenden mitbringen, was sie vielleicht interessieren können oder was auch Ziel des Praktikums ist. Nach den Praktika dann auch immer wieder Gespräche mit den Praktikumsanbieter*innen geführt haben, was für Erfahrungen es gab, das alles evaluiert haben, um das System weiter zu verbessern. Und für die Studierenden war das eben auch eine Betreuung, dass man wirklich die Leute an das Praktikum herangeführt hat, sie auch darüber nachdenken lassen hat, was soll mir das Praktikum eigentlich bringen, was will ich erfahren, was nehme ich mit. Da muss ja keine Checkliste sein, aber so eine innere Einstellung dazu, was ich da einfach erfahren will und es können ja sowohl positive als auch negative Erfahrungen sein, aber die kann ich ja verarbeiten und darüber kann ich diskutieren und das auch mit meinen Studierenden teilen und auch für den Studiengang nutzbar machen und das fand ich damals ganz toll, weil das wirklich auch in den Auswertungen des Studiengangs gezeigt hat, was für einen enormen Qualitätssprung das für die Studierenden mit sich gebracht hat, weil sie nämlich dann vielleicht sogar schon beim ersten Praktikum darüber nachgedacht haben, okay, vielleicht muss ich während meines Studiums auch andere Akzente setzen oder mir bestimmte Vorlesungen, Workshops, was auch immer für Angebote dann auch holen, die dann eben in eine Richtung gehen, die ich gebrauchen könnte. Also bei diesem Fächer an Angeboten, wenn du jetzt zum Beispiel über die Pflichtfächer hinaus auch Angebote hast, ist ja genauso, das ist ja auch wie die Q4 um 9 Tor und denkst dir, was soll ich jetzt damit anfangen, aber es könnte dir natürlich eine völlig neue Richtung geben, auch in deiner Weiterentwicklung.

Das geht ja schon los, darüber nachzudenken, will ich mal in einer staatlichen Organisation arbeiten, im öffentlichen Bereich oder einen öffentlichen Auftrag, zum Beispiel den öffentlichen Auftrag erfüllen oder möchte ich eigentlich profitorientiert irgendwie in einem profitorientierten Kulturbetrieb arbeiten oder will ich eher was für die Zivilgesellschaft tun und dann kann man ja darüber nachdenken, welche Sprache interessiert mich eigentlich oder wo fühle ich mich heimisch oder wo könnte ich mir was vorstellen und dann auch noch darüber nachzudenken, innerhalb der Organisation, wo sehe ich mich eigentlich, in einem Künstler oder in der Administration, in der Kommunikation oder in der Verwaltung oder in einem Mix aus allem. Das schon relativ früh oder immer vielleicht auch angeleitet und mal mit ein paar Reflexionsmöglichkeiten zu machen als Studierende, als Studierender hilft mir vielleicht auch viel besser, dann zu gucken, wo ich das Studium für mich auch noch ein bisschen besser ausrichten kann, um dann auch in den Kulturbetrieb zu gehen und da wirklich besser einsteigen zu können, denn ganz häufig erlebt man ja, dass Studierende gar nicht aus dem Bachelor rausgehen, mal abgesehen davon, dass es manchmal auch an den Arbeitsmöglichkeiten liegt, weil der Bachelor bei vielen Einrichtungen immer noch nicht als eine Arbeitsgrundlage anerkannt wird, das mag sich jetzt mittlerweile geändert haben, aber das war lange Zeit ein Problem und dann eben enttäuscht waren, auch mit dem Rüstzeug, was ich mitgebracht habe, der Betrieb war ganz anders, das wenigste von dem, was ich tagtäglich im Unterricht gehört habe, konnte ich anwenden. Dann ist es ja gerade eine tolle Erfahrung, wenn ich dann sagen kann, okay, ich fühle mich noch nicht bereit, jetzt gehe ich noch mal ein Masterstudium, aber ich weiß, was ich erlebt habe, und ich weiß, was ich jetzt für Ansprüche an dem Master habe.

 

Julia Jakob

Und auf der anderen Seite hat man dann wiederum Menschen im Kulturbetrieb, die wiederum kein Verständnis für Daten haben oder zu wenig Verständnis für Daten, wo wir wieder bei den Problemen wären. Auf einmal wird man in der Abschlussarbeit vielleicht mit einer Methodik konfrontiert, an die man noch nicht gewöhnt ist. Und da kommen wir jetzt auch zum Thema unseres KM-Treffs, genau. Weil Rainer Glaaps hat im Publikumsschwund, wie Kristin vorhin schon sagt, also in seiner Publikation Publikumsschwund, sich mit der Theaterstatistik auseinandergesetzt, die vom Deutschen Bühnenverein seit 1949 für die BRD damals erfasst wurde. Er hat aber auch Daten aus der DDR, aus einer vergleichbaren Publikation mit rangezogen und dabei unter anderem auch festgestellt, dass es ein Gros an Daten erfasst wird, die dann wiederum als Entscheidungsgrundlage für wichtige Dinge genutzt werden, aber niemand so richtig weiß, was eigentlich dahintersteht. Und er wiederum selber auch große Probleme hatte zu verstehen, warum wird es jetzt eigentlich erfasst und das wirklich etwas ganz Klares sichtbar macht, nämlich dass man zum einen sich die Arbeit macht, Daten zu erfassen, weil man irgendwie der Meinung ist, Statistik ist wichtig und man braucht es als Argumentationsgrundlage für politische Entscheidungen, für Fördergelder etc., aber mitunter auch die Leute, die dort in den Positionen sitzen, gar nicht so richtig wissen, was das jetzt eigentlich anzeigt. Und nicht nur, dass sein Buch natürlich jetzt erstmal einen wichtigen Stein ins Rollen gebracht hat und eine Lücke beginnt zu schließen, sondern er eben auch meinte, er konnte natürlich nicht weiter in die Tiefe gehen, aber hofft, dass es jetzt Abschlussarbeiten, Promotionen zu dem Thema gibt, dass eben alles, was er nur ankratzen konnte, auch in Zukunft schließt.

Und ich glaube, wer dahingehend auch eine gute Ergänzung war, war auf jeden Fall Oliver Tewes-Schünzel vom Institut für kulturelle Teilhabeforschung, der ja eine kultursoziologische Perspektive in die Teilhabeforschung des IKTFs mit reinbringt und der auch in den Formaten des IKTFs immer wieder sagt, wie wichtig es ist, das aus soziologischer Perspektive eben mit zu betrachten, dass da auch ganz viele Fehler in der Vergangenheit in der Datenauswertung und der Wissenschaftskommunikation im Kulturbereich gemacht wurden und dass wir dahingehend jetzt hoffentlich auf einem Weg sind mit Menschen in solchen Positionen, die das Know-how haben und die bereit sind, da vielleicht auch frühere Fehler zu korrigieren oder darauf hinzuweisen, dass das in Zukunft nicht mehr passiert.

 

Kristin Oswald

Naja, es gibt ja grundsätzlich ein Problem mit dem datenbasierten Arbeiten im Kulturbereich und das fängt eben im Studium an, wenn du halt Kulturmanagement studierst und nichts über Statistik zum Beispiel in irgendeiner Form lernst, so wie führe ich eigentlich eine ordentliche Erhebung durch, was muss ich da betrachten, was muss ich beachten, damit ich irgendwie Voreingenommenheit, was ist eigentlich Repräsentativität, whatever und es zieht sich ja auch durch die Kulturbetriebe, also sozusagen, was haben wir denn für Daten über unsere Arbeit. Ich habe ein Ticketing-System, ich werde nie, ich glaube, ich habe es auch schon mal erzählt, vergessen, wie jemand aus dem Kulturbereich, ich nenne nichts Näheres, uns erzählte, dass auf die Frage nach Besucherdaten die Menschen an der Kasse sagten, naja, wir drucken quasi am Ende jedes Tages, also wenn du so willst, den Kassenzettel aus, also was für Tickets wurden an was für Zeiten eigentlich gebucht, gekauft und das überträgt dann die Sekretärin in der Exit-Tabelle, das machen wir seit 20 Jahren, hat sich aber noch nie jemand angeschaut und das ist die Datenerhebung, die es gibt. Und dann reden wir nur über Besuchsdaten, dann reden wir über noch nichts anderes, geschweige denn darüber, dass die Kulturarbeit so oft auf Bauchgefühlen, auf Annahmen basiert, die auf der Datenebene längst widerlegt sind, was aber gefühlt kein Mensch weiß. Also man beschäftigt sich auch nicht mit Daten über Kulturarbeit oder nur sehr wenig, die über das eigene Haus hinausgehen und ich meine, also Dirk ist für mich da immer das Beispiel, weil wir natürlich seit sehr vielen Jahren Stellenmarktdaten erheben, die in Abschlussarbeiten ausgewertet werden und wenn vor allem Dirk die auf Tagungen präsentiert.

 

Dirk Schütz

Das sind nicht die einzigen.

 

Kristin Oswald

Genau, aber das ist ja so verrückt, wir publizieren die bei uns, wir weisen in tausend Formaten immer wieder darauf hin, du präsentierst die auf super vielen Tagungen, ich inzwischen auch und dennoch sitzen immer wieder Leute da und sagen, ach so, das habe ich ja noch nie gehört, das ist ja total interessant und man sagt, ja aber was sollen wir noch machen? Also wenn ihr euch nicht selbst informiert, tut uns leid. Und das ist ja ein Problem, weil es offensichtlich oder also das ist, zumindest meine Wahrnehmung, es gibt gar nicht den Drang oder die Idee, diese bauchgefühlsbasierten Dinge überhaupt mal zu hinterfragen. Mein klassisches Beispiel dafür ist immer die Aura des Originals und das ist inzwischen auch so ein Running Gag auf vielen Tagungen so, wie lange dauert es bis zum ersten Mal das Wort Aura fällt, wenn es um Museen geht und es inzwischen aber verschiedene Arten von Erhebungen gibt, es gibt eine umfangreiche Promotion, die sich damit auch tatsächlich in einer Besucherbefragung damit beschäftigt hat, dass das eigentlich ein Quatschkonzept ist, also dass ja so ein Objekt, das strahlt halt nix aus, was dann irgendwie mal in meinem Gehirn Informationen hervorruft und eine Kopie macht am Ende genau dasselbe. Aber das sind diese Ideen, das ist wie die Idee des Live, ja, dass irgendwie Theater mir was anderes vermittelt als Film, was überhaupt nicht datenpassiert ist, sondern was ich halt so vor mir hertrage, mit der Idee, ja Theater, das ist total wichtig, weil wenn ich das auf der Bühne sehe, dann macht das was ganz anderes mit mir, als wenn ich das im Kino sehe. Ja, aber worauf beruht es denn? Darauf, dass wir uns selbst irgendwie für wichtig nehmen und uns selber erzählen, dass das, was wir tun, die totale Relevanz hat. Aber das mal zu unterfüttern, meine eigenen Gewissheiten zu hinterfragen und dann zu sagen, okay, wenn es aber nicht so ist, was lerne ich denn daraus? Was kann ich denn verbessern? Was kann ich denn anpassen? Aber ich habe das Gefühl, dass das so eine Einstellung ist, die es sehr, sehr wenig gibt und dass ich das vom Studium über die ersten Arbeitsjahre quasi so, und dazu nur noch einen Satz, das Ideal wäre es nämlich, wenn ich so ein Praktikum im Rahmen meines Bachelor- oder Masterstudiums mache und das begleitet wird, dass ich dann das, was ich in diesem Praktikum erlebt habe, aber auch noch mal reflektiere und dann sage, was weiß ich, sagen wir, ich war irgendwie in der öffentlichen Kulturverwaltung so, dann ist es vielleicht die erste praktische Erfahrung, die ich habe und dann aber zu verstehen, ist es denn überhaupt State-of-the-Art, wie die da arbeiten? Oder ist es jetzt, weil das das ist, was ich kenne, gehe ich jetzt einfach davon aus, dass das so ist? Also das heißt, auch da diese Einordnung zu schaffen und die Studis auch dahin zu bringen, dass, wenn sie in einen Kulturbetrieb gehen, sie sehen, gibt es hier Verbesserungspotenzial. Muss ich hier Dinge vielleicht mal anders machen, anstatt, wie es ja jetzt ist, dahin zu kommen und quasi das so zu lernen, wie es dort ist und damit vielleicht auch diese Auffassung zu lernen, naja, wir haben das ja schon immer so gemacht. Und das ist eben die Art, wie wir arbeiten. Also das ist ja dann noch mal der nächste Schritt, zu sagen, ich sehe das nicht nur von innen, sondern ich reflektiere auch und verstehe und ordne ein, was ich da sehe, um daraus dann wieder irgendwie Schlüsse für meine Arbeit zu ziehen.

 

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Julia Jakob

Ja und dann kommt in so einer Mitarbeiter*innenumfrage raus, dass alle unzufrieden sind.

 

Kristin Oswald

Ja, 80 Prozent.

 

Julia Jakob

Will man das wissen?

 

Kristin Oswald

Ja, naja, aber ich meine, das ist ja auch, das ist ja total irre. Müsst ihr mal überlegen, im Jahr 2024, äh 2023, wurden das allererste Mal Mitarbeitende von Museen befragt, ob sie zufrieden sind…

 

Julia Jakob

…Ja.

 

Kristin Oswald

….Was dir das sagt, ja, und es gibt irgendwie drei Museen in Deutschland, die intern mal ihre Leute gefragt haben und alle anderen sind so, nee, nee, wird denen schon gut gehen, wa?

 

Dirk Schütz

…Vielleicht haben sie die immer mit den Ausstellungsobjekten verwechselt.

 

Julia Jakob

Ja, oder das halt, wie, um nochmal zu Rainers Buch auch zurückzukommen, herauskommt, dass das Theaterpublikum nicht etwa seit der Pandemie erst schrumpft und auch nicht erst seit den 2000ern oder, ja, mit Erfindung des Fernsehens, also doch, das hat tatsächlich eine Auswirkung darauf, sondern dass wir halt einfach seit Mitte der 1950er Jahre mit einem zurückgehenden Theaterpublikum zu tun haben und wir uns ernsthaft fragen müssen, wie es gleichzeitig aber sein kann, dass immer mehr produziert wird und überall auch das gleiche und man dennoch irgendwie Audience Development und Publikumsforschung erst seit der Pandemie ernster nimmt, aber auch überall noch nicht so richtig, weil es ja anstrengend bzw.

 

ja, hat dann nicht mehr den Exzellenzanspruch, wenn wir jetzt auf einmal nur noch das machen, was das Publikum sehen will, das nicht zu uns kommt.

 

Kristin Oswald

Ja, ich meine, jetzt, man muss das natürlich auch immer alles nochmal ein bisschen einbetten, wir sind hier natürlich sehr pauschalisierend in dem, was wir sagen und natürlich ist es so. Natürlich nicht. Und natürlich ist es so, und das wissen wir auch, im Kulturbetrieb ist oft ganz wenig Zeit, es herrscht ganz viel Überforderung, wenig Leute müssen super viel machen, aber die Frage, die sich ja daraus ergibt, ist, ist es nicht gerade deshalb umso wichtiger, dass ich mir ein gewisses Maß an Zeit freischaufle, um mich mit solchen Studien, solchen Erhebungen zu beschäftigen und mir dann zu überlegen, ist das aber nicht auch der Ausweg aus der Überforderung zu sagen, muss ich denn 20 Stücke neu im Jahr produzieren, brauche ich denn jedes Jahr eine große Sonderausstellung und muss ich die immer selber machen oder kann ich mir halt nicht eine Wanderausstellung ins Haus holen zum Beispiel. Kann ich nicht, sagen wir, Vermittlungsprogramme, Pädagogikprogramme, die andere machen, kann ich mir die nicht ins Haus holen. Kann ich mit Leuten zusammenarbeiten. Also kann die Tatsache, dass ich mir Dinge denke, die aber offensichtlich falsch sind, nicht auch dazu führen, mich von Sachen zu verabschieden und Sachen loszulassen, die offensichtlich nicht zu dem Erfolg führen, den ich mir erhoffe, um mir daraus wiederum den Freiraum für Reflexion zu schaffen.

 

Dirk Schütz

Da ist natürlich eine große Frage, da reden wir ja gerade über Entscheider*innen in Häusern. Bin ich das Museum oder bin ich das Theater oder sind wir das Theater und wir das Museum? Und leider werden natürlich ganz häufig die Entscheidungen, die du gerade dargelegt hast, getroffen, weil ich das Museum bin. Und wenn ich halt so denke, dass ich das Museum bin, dann bin ich natürlich auch gar nicht so offen für solche Dinge, die vielleicht Dinge auch in Frage stellen können, die jetzt mit mir, meiner Idee von meiner eigenen Entwicklung, mit dem Haus, das ich gerade führe, zusammenhängen. Also das ist ja, sieht man ja gerade aktuell, sehr viele Diskussionen locken ja genau deswegen auf, weil die Frage, bin ich das Haus oder sind wir das Haus, eben nicht wirklich geklärt wird und vor allen Dingen auch nicht von denjenigen, die diese Stellen besetzen oder auch das Geld dorthin geben. Als Unternehmer von all dem, was er gerade oder was ihr gerade erzählt habt, würde ich sagen, ich bin einfach darauf angewiesen immer zu wissen, welche Zahlen es gibt. Ich gucke jeden Tag auf Zahlen, jeden Tag.

 

Kristin Oswald

Ja, das hören wir auch sehr oft übrigens.

 

Dirk Schütz

Aber das hat ja Vorteile auch und zu mindestens gibt es mir die Möglichkeit, wenn ich durch Entscheidungen, die ich getroffen habe, viele Entwicklungen sehe, dass ich die korrigieren kann. Und dass ich mir das auch eingestehen kann, was nützt mir das, wenn ich da ein ganz tolles Bild von dem habe, was ich mache, und dann läuft es so aus dem Ruder, dass die Firma in Gefahr ist. Also das ist schon mal ein Antrieb von mir, den ich selbst habe.

 

Ich muss zugeben, wenn ich das höre, was die Theaterzahlen betrifft, muss ja irgendwie zumindest in der Theaterbereich unterschwellig eine wahnsinnig gute Lobbyarbeit gemacht haben und eine gute PR-Arbeit, denn nach wie vor die größten Teile der Bevölkerung wollen unbedingt ein Theater noch haben, auch wenn sie gar nicht hingehen. Also von daher kann man ja positiv sagen, das haben sie wunderbar hingekriegt, dass zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung, in der öffentlichen Meinung das noch so verankert ist.

 

Kristin Oswald

Naja gut, aber sich Optionen offen halten ist ja immer schön, wenn ich quasi nicht selbst dafür verantwortlich bin.

 

Dirk Schütz

Also ich glaube, und das ist auch viel zu wenig untersucht, dass es ganz starke Verbindungen auch zwischen der Subventionierung, dem Auftrag, den Geldgebern und dem, was die Häuser machen, liegt, warum manche Dinge einfach sich so entwickeln, wie sie sich entwickeln. Und dass eben das auch häufig ein Grund ist, warum darüber nicht nachgedacht wird, wie man das vielleicht anders machen kann. Es gibt aber, damit ich mal auch mal was Positives sage, es gibt ja auch wirklich tolle Formate und Plattformen für einen Austausch, die genau eben erkannt haben, dass das ein wichtiges Thema ist und nenne ich explizit Petra Institut in Ludwigsburg, die mit dem Forum Theater-Controlling wirklich eine ganz tolle fachliche Plattform geschaffen hat, wo sich eben Leute austauschen, die den ganzen Tag sich eben damit beschäftigen und eben auch wissen, dass du mit Zahlen steuern kannst und das versuchen auch an ihre Führungskräfte weiterzugeben oder sie dahingehend eben zu unterstützen, dass sie richtige Entscheidungen treffen, eben auf Basis von Daten. Und da entwickelt sich was, das ist natürlich in manchen Häusern sehr gut entwickelt und das sind dann die, die wie Tom Koch zum Beispiel eben auch Vorträge halten können, wie man eben auch selbst im Ticketing flexibel sein kann und da eben auch Erfolge feiern kann, was ganz stark auch auf Datenauswertung basiert. Und dann gibt es eben welche, die sich jetzt gerade auf den Weg machen, aber es ist ja gut so, dann fangen sie wenigstens an und sie haben Kolleginnen und Kollegen, die ihnen dann eben Input geben können, Tipps geben können, die wirklich auch in der Praxis erprobt sind, wo sie natürlich nach wie vor dann die Schwierigkeit haben zu gucken, wie kriege ich das im eigenen Haus umgesetzt und wie kriege ich das beworben im eigenen Haus, wie wichtig das ist. Aber es tut sich was und da kann man ja eigentlich schon mal ganz gute Hoffnungen sein.

 

Kristin Oswald

Naja, die Grundlage dafür ist, dass ich aber auch mit den Daten richtig umgehen kann. Und wenn ich das sehe, die Theaterstatistik, finde ich, ist immer so ein Beispiel, aber auch zum Beispiel die Besuchsstatistik zu den Museen. Es wird eben alles immer eigentlich als sehr gut dargestellt. Und ich finde, da sind auch die Kulturverbände so ein bisschen in einer Zwiespalt-Situation. Das ist PR. Genau. Und die Frage ist aber, hilft es? Also hilft es, wenn ich eben sage, beispielsweise, es gehen mehr Leute in Museen, mal davon abgesehen, dass man es nicht weiß, aber es gehen mehr Leute in Museen, als die Bundesliga gucken. Und dann muss ich sagen, okay, zum einen, wie sinnhaft ist denn überhaupt so ein Vergleich, mal abgesehen von Besucher und Besuche sind schon mal nicht das Gleiche. Aber ist es nicht auch der Auftrag von Verbänden als Interessensvertretung, auch klar aufzuzeigen, wo Defizite liegen und daran nämlich daraus Forderungen abzuleiten, an die Kulturpolitik zum Beispiel, an die Förderer. Beispielsweise zu sagen, okay, was weiß ich, im Schnitt gibt es, sagen wir pro Museum, eine 0,3 Stelle für Social Media. Und das reicht eben nicht, um die Ansprüche von digitalen Zielgruppen, um denen gerecht zu werden, um beispielsweise zu sagen, wir machen digitale Vermittlungsangebote für Leute, die aus Gründen gar nicht in unser Haus kommen können. Also anstatt zu sagen, ja, ist ganz toll. Wir haben hier, unser Museum hat hier 3,5 Follower auf Instagram im letzten Jahr gekriegt. Mega. Zu sagen, es reicht nicht. Wir wollen mehr tun, aber dafür brauchen wir mehr Unterstützung.

 

Dirk Schütz

Ich finde den Vergleich völlig lächerlich, ehrlich gesagt. Das ist meine persönliche Meinung. Wie kann man sich mit so einem hochprofessionalisierten Bereich selbst vergleichen, wenn man nicht ansatzweise in so einem Professionalisierungsgrad ist?

 

Julia Jakob

Du meinst die Bundesliga?

 

Dirk Schütz

Ja, ja. Und viele Mitarbeitenden, die das hören und sagen, Mensch, mehr als die Bundesliga. Ja, aber unsere Gehälter sind nicht so wie in der Bundesliga.

 

Kristin Oswald

Wir haben mal davon abgesehen, dass das ja totaler Quatsch ist, weil dann ist ja schon mal die Frage, okay, rechne ich jetzt quasi nur die, die in die Stadien gehen? Also wir haben an die 7.000 Museen, die, sagen wir, 300 Tage im Jahr geöffnet haben. Und wir haben, ich weiß nicht wie viel das sind, 300 Bundesligaspiele im Jahr insgesamt. Das heißt, da komme ich schon mal überhaupt nicht irgendwie in eine Relation. Und wenn ich dann sage, ja, aber da sind auch noch die drei Millionen Leute, die jedes Bundesligaspiel im Fernsehen oder online gucken und die habe ich da gar nicht mit reingerechnet, dann sieht man erst mal, wie abstrus so ein Vergleich ist.

 

Dirk Schütz

Ja, und der Vergleich liegt ja genau deswegen. Warum ist die Bundesliga so reich? Weil sie Medienreichweite hat und die verkauft. Also das bringt das Geld, doch nicht die Zuschauer, die im Stadion sind. Die bringen die Atmosphäre und die machen das Besondere vielleicht noch dann aus. Aber das Geld kommt eben auch von der Verwertung der Medienrechte. Und im gleichen Atemzug, wie man so einen Vergleich zieht, sieht man aber in den Häusern, dass sie zum Beispiel die Online-Besucher gar nicht mitzählen oder nicht mal als ernsthafte Zählgrundlage sehen. Und da entlarvt sich das doch selbst.

 

Kristin Oswald

Ist ja auch die Frage, ob die Nofretete ein Stadion füllen. Also, ne, ob das... Wenn sie richtig inszeniert ist. Also da will ich mal ein Fußballspiel sehen. So, aber was ich meine ist, du hast ja ganz oft, gerade in dem öffentlichen Kulturbereich, dieses Fandasein. Das gibt es ja in dem Sinne gar nicht. Das hast du in der Popkultur, in der Populärkultur natürlich viel stärker. Und da aktivieren die Leute natürlich Stadien. Das ist gar keine Frage. Aber so wirklich diese Leidenschaft, diese Begeisterung, dieses darauf hin fiebern, glaube ich, hast du in dem Ausmaß ja gar nicht so stark. Und auch da könnte man sich fragen, woran liegt es eigentlich, dass es da diese emotionale Nähe, die ja auch da drin damit zusammenhängt, in dem Umfang eben dann doch nicht gibt.

 

Julia Jakob

Ich habe beim EM-Gucken, also rudimentär gucken, etwas ganz Spannendes beobachtet. Und zwar, dass Räumlichkeiten des Humboldt-Forums quasi so als Sportstudio mitgenutzt werden. Das war mir bis dahin überhaupt nicht bewusst. Und ich dachte so, okay, Humboldt-Forum, so kritisch, wie man das betrachten muss, hin oder her. Aber es ist irgendwie ganz spannend, diesen Kulturraum, damit kommen wir jetzt vielleicht auch zu unserem dritten Thema, dahingehend zu nutzen, dass man es für einen ganz anderen Bereich verwendet, Leute dahin holt, die sich vermutlich nicht das Haus anschauen werden. Aber die Gegebenheiten sind ja da. Und wenn es sich irgendwie so gut umnutzen lässt, warum dann nicht vielleicht auch für andere Dinge noch nutzen? Ich weiß auch, dass Deutschlandfunk Kultur dort regelmäßig auch Veranstaltungen hat und das dann quasi als Sendeplatz auch nutzt. Aber das fand ich irgendwie einen ganz guten Link, gerade wenn man dann irgendwie so abstruse Vergleiche zieht und versucht, das eine gegen das andere auszuspielen.

 

Kristin Oswald

Zumal ja das Humboldt-Forum auch diesen Raum der Wärme eingerichtet hatte. Und zwar auf eigene Initiative hin, zu sagen, für Leute, die sich quasi die gestiegenen Gaspreise für ihre eigenen Wohnungen zum Beispiel nicht leisten können, die aber irgendwo in Berlin-Mitte wohnen, die einfach dorthin gehen können und sich ein paar Stunden aufwärmen, dort arbeiten, sich austauschen, sich ausruhen können. Und das ist ja klar, also Kritik am Humboldt-Forum hin oder her, aber das ist natürlich ein total guter Ort, zu sagen, Kulturräume, ich gebe meinen Kulturraum für andere Anlässe oder eben, ich nutze andere Räume als Kulturräume. Geht ja beides, aber das finde ich total gut, eben zu sagen, wir machen das. Und der Anspruch ist nicht, die sollen dann bitte aber auch alle eine Führung mitmachen, sondern nee, wir wollen einfach nur das ermöglichen und irgendwie eben für unser Umfeld, für unsere Nachbarschaft, denen was Positives geben, total unabhängig davon, ob die sich jetzt irgendwie für die Arbeit vom Ethnologischen Museum Berlin interessieren oder sich die Berlin-Global-Ausstellung angucken wollen oder was auch immer. Aber genau, das Magazin Kulturräume, Jule, erzähl uns doch mal, worum es, also was so die Bandbreite so grob war an Themen.

 

Julia Jakob

Also die Bandbreite war sehr groß. Ich glaube, es lag zum einen natürlich daran, dass wir auch in unserem Call for Papers das sehr offengelassen haben, einfach weil Kulturräume aus den verschiedensten Perspektiven auch betrachtet werden können. Also geht es jetzt einfach um die Immobilie an sich, geht es um Konzepte wie Dritter Ort, wo wir dann tatsächlich auch im Audience Development mit drin sind oder geht es dann vielmehr darum, eben Räume zu öffnen in Kultureinrichtungen an sich oder von Kultureinrichtungen aus, um beispielsweise Safer Spaces für marginalisierte Communities irgendwie bereitzustellen oder aber um in unserer ja doch sehr polarisierenden Diskurskultur, kann man das so sagen, um da vielleicht wiederum Austauschmöglichkeiten zu schaffen, um festzustellen, dass man vielmehr wieder in das Miteinander reden oder sprechen kommen muss, um eben auch Differenzen, Meinungsdifferenzen auszuhalten. Bis hin dazu, wie gehen eigentlich Kultureinrichtungen damit um, wenn sie sich selbst in eine Konfliktzone begeben, wie kann man dahingehend eine Diskurskultur wieder aufbauen bzw. die selber mitsteuern, wie geht man mit einem Shitstorm vielleicht dann auch um, wenn man im digitalen Raum sich unklug verhalten hat etc.

 

Und aber natürlich, dass der digitale Raum genauso Kulturraum sein kann, wenn dort digitale Ausstellungsformate oder andere Kulturangebote stattfinden. Und aber natürlich auch das Thema, wie können Kulturräume beispielsweise als außerschulische Lernorte ja noch stärker genutzt werden und eben an der Stelle Zielgruppen noch viel mehr angesprochen durch das Bereitstellen von Fortbildungen für Lehrkräfte beispielsweise. Ja, also, dass du das ganz, ganz grobe Themenfeld, das mit einer Vielzahl an Beiträgen, ich müsste jetzt im Kopf noch mal durchzählen, es waren richtig viele. Es ist wieder eine Ausgabe, die über 130 Seiten hat, also vielen Dank. Also erstens an unsere Autor*innen für dieses vielfältige Bearbeiten und Aufzeigen von der Bandbreite, die Kulturräume tatsächlich einnehmen können, als natürlich aber auch an alle Lesenden an der Stelle, die sich schon da hineinbegeben haben.

 

Kristin Oswald

Ich meine, das ganze Thema Raum ist ja auch auf einer gesellschaftlichen Ebene, gewinnt das ja total Relevanz in vielen Feldern. Wir haben irgendwie aussterbende Innenstädte und die Frage, was tun mit dem Raum, Raum aufwerten, Raum anders nutzen auch. Natürlich in dem Fall, wir haben das ganze Thema ländlicher Raum und die Frage, wie kann dort eigentlich Kultur stattfinden? Oder eben auch, ich glaube, auch dazu hatten wir schon mal eine Magazinausgabe Peripherie, also was mache ich eigentlich?

 

Dirk Schütz

Provinz haben wir es genannt.

 

Kristin Oswald

Genau, also auch so diese ganzen Stadtrandwohngebiete, in denen eben auch nichts ist und für die sich irgendwie auch gefühlt kein Mensch interessiert. Du hast aber auch, wenn wir an Nachhaltigkeit denken, zum Beispiel das ganze Thema der sinnhaften Nutzung von Räumen aus einer Nachhaltigkeitsperspektive heraus. Du hast das ganze Thema, wenn wir an den demografischen Wandel denken, natürlich auch Verschiebung von Gruppen und Bevölkerungen. Wenn ich weniger Leute habe, dann habe ich auch weniger Raum, der zum Beispiel einfach gebraucht wird oder anders gebraucht wird. Also das heißt, da hängt ja unheimlich viel zusammen, dran zusammen und im Kern aber auch irgendwie dieses ganze Thema, wie kriege ich Kultur eigentlich aus meinen vier Wänden raus, also aus den vier Wänden meines Hauses, die ich hier habe, in andere Räume oder andere Räume eben zu mir rein? Also wie kann ich auch diese Grenzen, diese Mauern, die ja auch eben wieder mit einem bestimmten Publikum einhergehen, so wie kriege ich da eigentlich, wie erreiche ich andere Leute, was wollen andere Leute eigentlich von mir, was brauchen die so, was kann ich denen geben? Das heißt, es ist ja nicht nur die Frage von, ich will jetzt noch eine Ausstellung machen, brauche noch einen Ausstellungsraum oder mein Team vergrößert sich, brauche irgendwie noch mehr Büros, sondern das hat ja ganz viel zu tun mit Gesellschaft, die Frage nach Raum.

 

Julia Jakob

Ja, da kann, glaube ich, also auch mit dem, was ich aus den Magazin-Metriken mitgenommen habe, sehr viel von der freien Szene oder den freien Darstellenden Künsten gelernt werden, gerade wenn es darum geht, wie kriege ich das, was ich produziert habe, jetzt an einen anderen Ort transportiert, weil es dort mitunter einfach Gruppen gibt, die gar keinen festen Produktionsort haben, einfach weil Produktionshäuser und andere Räumlichkeiten fehlen und die dann eben von dem Ort, an dem sie normalerweise wirken, eben zusammen proben etc., in eine ganz andere Umgebung sich auch dann begeben müssen, wo sie auf ein Publikum treffen, das vielleicht mit ihnen bisher noch gar nicht so viel zu tun hat, im besten Fall ihr Stammpublikum, bestehend aus Freunden und anderen Bekannten, die sie eben an ihrem Hauptwirkungsort dann schon mal erlebt haben oder zumindest irgendwie Verbindungen dazu haben, dann dahingehend mitnehmen, aber das sich natürlich auch dort neu einfinden muss und wo man dann auch erstmal merkt, okay, das ist eine Herausforderung oder vielleicht auch Hürden auf beiden Seiten, wo Vorurteile abgebaut werden müssen. Ich habe heute Vormittag, also unabhängig vom Magazin, auch mit unserer studentischen Mitarbeiterin Susi gesprochen, die sich am Wochenende das Ostenfestival in Bitterfeld angeguckt hat und das hat eben sein Festivalzentrum auf dem Gelände von der Freiwilligen Feuerwehr, was irgendwie ja auch ganz spannend ist, wenn da halt dann doch mitunter sehr flippige Menschen aus den freien darstellenden Künsten auf eine Community treffen, die erstmal nicht kreativ ist, die sich vielleicht auch gar nichts davon angeguckt hätte. Sie meinte auch, dass die Google-Rezensionen richtig schlimm sind, also das hat nichts mit der Freiwilligen Feuerwehr zu tun, sondern einfach mit den Menschen in deren Sphäre sie dann jetzt erstmal einbrechen, um es vielleicht so zu sagen, und die halt irgendwie sagen, wir wollen diesen linksgrünversifften Scheiß hier nicht haben, geht damit weg. Also wo man schon eben auch merkt, ja gut, okay, da gibt es einfach auf beiden Seiten Vorbehalte, die sicherlich auch von Seiten der Künste an der Stelle wiederum mit, naja, jetzt begeben wir uns in so einen Raum, der wahrscheinlich sehr rechtsorientiert ist, aber dass das halt sehr fruchtbar mitunter sein kann, wenn man dann in den Austausch miteinander kommt und man das vielleicht auch, ja, allen Widrigkeiten zu trotz, vielleicht erstmal aushalten muss und sich dann, ja, von Mal zu Mal vielleicht auch vorarbeiten, um dann eben festzustellen, naja, eigentlich ist das ganz cool, was ihr hier macht und eigentlich sind hier gar nicht so viele Faschos, wie ich angenommen habe. Raum ist ja auch Sicherheit.

 

Kristin Oswald

Ja, das muss man ja auch sagen, wenn ich, so, das fängt ja schon damit an, mit der Frage flexible Büroarbeitsplätze, das versetzt ja viele Menschen schon irgendwie total in Wut, zu sagen, ich habe hier nicht mal einen festen Platz, sondern muss vielleicht jeden Tag woanders sitzen, weil Raum einfach Sicherheit ist, na, und wenn ich, wenn ich eben immer in meinem eigenen Theater spiele oder vielleicht, zur Abwechslung meinem Weimarer Hallenwagen, oder wenn ich eben immer meine Ausstellung in meinem Museum mache, dann ist das natürlich nicht nur ein Raum, den ich kenne, sondern ja auch ein Publikum, das ich kenne, eine Umgebung, auf die ich vorbereitet bin und das zu verlassen, ist natürlich Unsicherheit, aber es braucht ja auch diese Unsicherheit. Also zum einen finde ich, beim Kulturschaffen selbst braucht es ja auch ganz oft diesen Moment der Unsicherheit, um neue Impulse zu bekommen, um Dinge nochmal anders zu betrachten, um nochmal eine andere Reflexion zu gehen, aber eben, wenn ich sage, wenn ich andere Leute erreichen möchte, wenn ich Menschen auch etwas anderes geben möchte, dann kann ich das eben nur in einer Situation der Unsicherheit und ich fand das ganz spannend, weil das bei der Tagung des Deutschen Museumsbundes auch die Frage war, das Thema rechte Akteure, kann ich die eigentlich wegignorieren, so, oder kann ich eben sagen, ich will die nicht und dann muss man sagen, naja, aber wenn ich halt Kultur für alle machen will, dann gehören die bis zu einem gewissen Grad dazu und dann ist natürlich die Frage, wie gehe ich damit um und das muss ja nicht heißen, jetzt kommt ein Shitstorm über mich und ich muss irgendwie gucken, sondern auch die sind ja irgendwie Teil einer Öffentlichkeit und wenn ich eben mein Haus verlasse, dann sind die halt im Zweifelsfall da und dann muss ich mir halt überlegen, über was will ich wie mit denen eigentlich reden, wie kann ich eigentlich diesen Austausch initiieren, von dem ja Kultur immer wieder behauptet, dass es ihn schaffen würde, was heißt es eigentlich, wenn ich da, wie es Zeit Online ja auch zum Beispiel lange gemacht hat, einfach zwei Leute zusammenbringe, die total konträre Meinungen haben und jetzt irgendwie gucken muss, dass sie sich aber nicht hauen, sondern dass sie halt miteinander sprechen und vielleicht auch Gemeinsamkeiten finden, also das heißt, diese Sicherheit aufgeben zugunsten von einer gewissen Experimentierfreude und sich aber auch gleich auf diese Unsicherheit vorzubereiten, also sich nicht kopflos da reinzustürzen, sondern zu sagen, okay, was kann passieren, das gehört ja dazu, aber das ist ja irgendwie auch Grundlage von Kultur.

 

Dirk Schütz

Aber da gibt es ja auch Experten, auch im Museumsbund, ich denke immer wieder an den wunderbaren Leiter des Panzermuseums. Ist das in Munster?

 

Kristin Oswald

Munster, ja. Ralf Raths heißt er. 

 

Dirk Schütz

Der ja nun wirklich mit seinem Ausstellungsinhalt genau solche Leute zum Teil auch anziehen, sich damit auseinandersetzen muss, also der kann bestimmt gute Tipps geben, wie man in die Diskussion mit denen geht. Es gibt aber für mich auch noch einen ganz anderen pragmatischen Hintergrund, da sind wir wieder bei Rainer Glaaps, wenn es so ist, dass das Publikum weniger wird und wenn wir beobachten, dass sich die Gesellschaft auch immer stärker durchmischt mit Menschen, die eben wenig oder gar keine Erfahrung im Umgang mit unserer Kultur angeboten haben.

 

Kristin Oswald

Hochkultur zumindest.

 

Dirk Schütz

Was die Hochkultur betrifft. Wenn wir auch sehen, wie schwierig es ist, also ich habe ja selber Kinder, sehe das auch, wie schwierig es ist, die Kinder daran zu führen. Das wird schon sehr, sehr stark auch von den Eltern intendiert. Nicht viele machen das mit, können das Mitmachen oder haben Sinn dafür. Also wenn das alles dazu führt, dass das Publikum per se sowieso schon mal weniger wird oder gar nicht mal Schwellenängste hat, sondern die Schwelle gar nicht kennt, dann ist die Frage eben tatsächlich für mich, ob es sinnvoll ist, noch darauf zu beharren nach wie vor, dass die Leute in mein Haus kommen. Das wird in Zukunft immer weniger passieren und dann muss ich mir sehr ernsthaft Gedanken machen, wie ich tatsächlich auch Angebote gestalten kann, die eben nicht in meinem Haus stattfinden oder wo ich mal rausgehe. Dieses tolle neudeutsche Wort Outreach eben auch wirklich mal ernst zu nehmen und zu gucken, wo kann ich denn Publika einfach auch aufgreifen, wie kann ich auch Angebote für die schaffen, die vielleicht nicht mal mit meinem klassischen Angebot zusammenkommen, aber eine Ergänzung bieten oder wo ich Leute einfach mal anfixen kann, interessieren kann und dann kommen die eben vielleicht doch. Oder dieses Beispiel vom Humboldt-Forum. Ich weiß nicht, ob Leute, die nicht zur Fußball-EM oder zum Aufwärmen irgendwo sind, nicht dann doch auch denken, ach, was gibt es denn hier eigentlich zu sehen. Also vielleicht gucke ich mir das mal an oder nutze das mal und kriege eine Berührung mit Kultur, wo sie dann einfach auch sagen können, hey, das ist ja gar nicht so schlimm, in so einem Museum zu sein. Mal abgesehen davon, dass es manchmal so ist, dass man einfach still sein muss, was auch die Frage ist, ob das immer so sein muss, aber auf jeden Fall habe ich dann nochmal einen anderen Ersteindruck oder einen anderen Zugang dazu, wenn ich durch so einen Zufall vielleicht auch in Berührung komme. Ich glaube, damit setzen sich hoffentlich mal viele Häuser auseinander, aber ich weiß, in der Kulturpolitik, gerade in der praktischen Kulturpolitik, also die Kulturdirektion, Kulturämter, die sehr viel darüber nachdenken müssen, wie sie auch eine gute Balance zum Beispiel, das ist ja auch so eine Diskussion, auch was Kulturräume betrifft, wie viel Hochkultur fördere ich denn noch oder wie viel etablierte Kultur fördere ich, institutionell geförderte Kultur? Wie viel freie Kultur kann ich eigentlich noch unterstützen und entwickeln? Das sind ja praktische Fragen, die sich taktisch stellen müssen. Und da kommen dann noch zusätzliche Fragen dazu wie Emissionsschutz. Ja, die Anwohner, die vielleicht dann sich auch gestört fühlen. Tatsächlich Räume, die man hat oder nicht. Technik, die man dafür braucht oder nicht. Werden die alle aus der Innenstadt rausgedrängt? Veranstaltungsorte und, und, und. Also es gibt ja tausende Fragen zu klären und da ist das schon ein ganz schönes Privileg für Häuser, mitten im Ort zu sein und schon immer gefühlt da zu sein und dann sich vielleicht nicht mal Gedanken darüber zu machen, wie ich eben andere Publika erreiche oder was das jetzt, diese Entwicklung auch für mich in Zukunft heißt.

 

Kristin Oswald

Also im Fall vom Humboldt-Forum war es tatsächlich wohl so, dass ganz viele von denen, die diesen Ort der Wärme genutzt haben, vorher noch nie im Humboldt-Forum waren. Also woran man finde ich auch sehr stark sieht, wie stark die zwei Themen Geld und Hochkultur, öffentlich geförderte Kultur zusammenhängen. Nicht nur, weil die so teuer ist, sondern weil das natürlich was mit bildungsbürgerlich zu tun hat und bildungsbürgerlich oft eben auch heißt, gut verdienen. Und da war es so, dass sie nach, ich glaube, mehreren Wochen, in denen dieser, der lief ja über Monate, über den ganzen Winter der Raum, sogar über zwei Winter, nach mehreren Wochen also angefangen haben, auch mal Führungen anzubieten und zu sagen, also wenn ihr Lust habt für die Zeit, in der ihr hier seid. Und das war am Anfang, wurde das sehr zögerlich angenommen. Also am Anfang waren das sehr wenig Leute und auch sehr viel Unsicherheit über eben dieses, wie benehme ich mich denn eigentlich in so einem Museum? Und jetzt bin ich ja hier und ich bin irgendwie, vielleicht fühle ich mich auch gar nicht wohl, weil Museum gar nicht ein Ort ist, an dem ich eben oft bin und ich nicht wirklich weiß, was ich tun soll. Und das hat sich dann verbessert. Aber der Punkt daran ist, es hat sich natürlich deshalb verbessert, weil dieses Haus bei den Leuten dann einen ganz anderen Eindruck hinterlassen hat. Sie sind erst mal in das Haus gegangen, bevor sie in die Kultur des Hauses gegangen sind. Sie haben erst mal irgendwie Mitarbeitende kennengelernt, haben einen positiven Eindruck davon bekommen, weil es jetzt dieses Angebot gab und es gar nicht darum ging, die eben jetzt zu Kultur zu bewegen, sondern ihnen was zu geben. Und das hat einfach ein anderes Image erst mal hervorgezogen.

 

Dirk Schütz

Und motiviert worden. Das ist ein ganz wichtiger Aspekt.

 

Kristin Oswald

Ja, und man muss eben sagen, wenn ich das jetzt aber anderswo mache, dann kann ich eben auch nicht sagen, ich gehe jetzt raus aus meinem Haus, aber ich mache draußen genau dasselbe, wie ich halt drinnen immer mache. Ich kann jetzt irgendwie, was weiß ich. Dann rufe ich den migrantischen Verein an und sage, hallo, ich habe da ein Konzert, das würden wir gerne bei euch spielen, dann können wir kommen. Weil dann werden die auch sagen, ja, sorry, aber wir haben unsere eigenen Konzerte, wir haben unsere eigene Kunst, wir haben unsere eigene Kultur, wir brauchen euch nicht. Warum sollten wir das machen? Also auch da ist eben, das ist ja schön, wenn ich mir das überlege, aber es heißt eben auch, dass ich mein Angebot verändern muss und dass ich erst mal zuhören muss.

Was wollen denn Leute? Was brauchen denn Leute? An was haben die Interesse?

Was kann woanders funktionieren? Und von daher glaube ich, das ist ja eigentlich die Hürde. Nicht zu sagen, ich spiele jetzt, ob ich jetzt in der Elbphilharmonie spiele oder in irgendeinem Konzerthaus, sondern die Erwartungshaltung, die an mich herangetragen wird, die ist halt eine ganz andere.

 

Dirk Schütz

Oder wie kriege ich es anschlussfähig zu deren Erleben oder zu deren Erfahrungshintergrund?

 

Julia Jakob

Also wer das sehr gut gemacht hat, und das ist auch eins der Best-Practice-Beispiele, die zwar nicht über sich selbst geschrieben haben, sondern beschrieben wurden in einem Artikel von Alexander von Nell vom Netzwerk Junge Ohren, ist das Konzerthaus Dortmund. Das Konzerthaus Dortmund ist einfach an einem Standort, wo man normalerweise keine Hochkultureinrichtungen vermuten würde, nämlich in einem sozialen Brennpunkt in Dortmund, platziert worden und hat es dort innerhalb seiner 20 Jahre, glaube ich, die es dort mittlerweile besteht, erst mal nicht geschafft, wirklich auch mit den Menschen aus der unmittelbaren Nachbarschaft irgendwie in Verbindung zu kommen. Bis man eben die Community-Musik eingerichtet hat und Angebote geschaffen hat für Menschen. Ganz gezielt ist der Leiter der Community-Music-Abteilung, Matthew Robinson, so heißt er, ehemaliger Leiter, auch dort von Haustür zu Haustür gegangen und hat eben sich vorgestellt und gesagt, was dort gemacht wird. Und dann gab es eben irgendwie Montagvormittag immer ein Angebot für SeniorInnen beispielsweise, die miteinander zusammen Musik machen konnten, aber auch sich einfach nur austauschen konnten oder eben nur zusammen Kuchen gegessen haben. Und was wiederum mit diesem Zuhören natürlich auch zusammenhängt, ist, kritischen Stimmen wirklich ernst zu nehmen und sich damit auseinanderzusetzen und nicht primär, als die sind gegen mich zu sehen, sondern vielleicht, und das ist etwas, was Gernot Wolfram in seinem Beitrag Bindung und Widerstand auch sehr schön dargelegt hat, das als bindendes Element zu verstehen, dass es bisher einfach zu wenig genutzt wird. Also dass es da eine hohe Identifikation gibt mit dem Haus und man deswegen so sehr Anti ist, wenn es jetzt um Neubauten, um Renovierungen etc. geht oder eben Gelder ausgegeben werden, die man vielleicht von Seiten der Stadtgesellschaft an anderer Stelle für das Haus als wichtiger empfunden hätte und nicht direkt in die Fassade oder so gesteckt hätte.

 

Kristin Oswald

Im Arts Management Quarterly, unserem englischsprachigen Journal, hat Matthew Robinson auch selber schon mal einen Beitrag geschrieben. Ich weiß die Ausgabe gerade nicht aus dem Kopf, aber wir verlinken sie, es ist die 136. Dort ging es nämlich auch um das Thema Communities, also das heißt auch um die Frage, und die hängt ja eben mit Raum ganz stark zusammen, was kann ich denn eigentlich als Anbieter, Organisation von Kultur auch für Communities tun? Also auch dieses Neighborhood-Konzept, ich bin eigentlich genau, worum es ja in Dortmund auch geht, ich bin eben nicht unbedingt in erster Linie für die Touristen da, die irgendwie einmal in ihrem Leben kommen, sondern ich bin eben in erster Linie für meine Nachbarschaft da, für die Menschen, die hier leben, und überlege mir, was ich denen geben kann und nicht nur in einem Bildungssinne geben kann, sondern eben auch darüber hinaus. Und ich finde immer sehr naheliegend ist dafür die Idee, was für praktische Fähigkeiten und Kompetenzen kann ich eigentlich irgendwie Leuten mitgeben für ihr Leben, und das kann ja alles Mögliche sein. Bei der ICOM-Tagung vom Textilmuseum Toronto war das eben einfach, der Latino-Community das Nehmen beizubringen. Also so ganz, ganz Basic. Das können Präsentationskompetenzen oder Schreibkompetenzen sein, das kann eben sein, wie male ich, wie singe ich, wie musiziere ich. Also einfach so wirklich diese Frage, was kann ich Leuten geben, was vielleicht einen Mehrwert für ihr Leben hat. Ich erinnere mich, vor vielen Jahren habe ich mal einen Vortrag gehört, da ging es auch darum, da ging es um Freilichtmuseen, die ganz eng mit Handwerkern zusammenarbeiten.

Handwerker, man jetzt vielleicht auch nicht auf den ersten Blick unbedingt denkt, das ist klassisches Museumspublikum. Und wenn es Museumspublikum ist, dann guckt es aber aus einer handwerklichen Perspektive drauf. Und wo eben die Freilichtmuseen sagen, na ja, wir machen für die Weiterbildung, was weiß ich, Lehmbau, solche Dinge, ganz nachhaltiges Bauen, nachhaltiger Umgang. Und dadurch kriegen wir aber da auch nochmal eine andere Verbindung rein und die Perspektive ist eben nicht nur Vergangenheit erzielen, sondern die Perspektive ist eben Relevanz in die Gegenwart bringen.

 

Julia Jakob

Das hätte an das angeschlossen, was ich noch ergänzen wollte, dass man nicht nur das so betrachtet mit, was können wir den Menschen beibringen, sondern natürlich auch, was können die Menschen wiederum uns beibringen. Welches Wissen haben sie, was uns noch fehlt? Ja, das irgendwie als den gegenseitigen Austausch wirklich so zu verstehen und nicht, man gibt etwas hinein.

 

Kristin Oswald

In diesem Sinne, wir lernen auch immer gern von euch. Das heißt Feedback, Kritik, Ergänzungen. Ihr kennt noch tolle Beispiele, tolle Ansätze. Ihr habt in eurer Arbeit schon mal was ausprobiert. Ihr habt eine Bachelor-, Master-, Studienarbeit geschrieben, die ihr gern bei uns veröffentlichen möchtet. Oder ihr seid eine Kulturinstitution, die super gerne mit Studierenden zusammenarbeiten möchte, um zum Beispiel mal Daten zu erheben in Form einer Abschlussarbeit. Was auch immer ihr auf dem Herzen habt, lasst es uns wissen. Wir sind für alles offen und freuen uns über jede Art von Feedback, Rückmeldung und Ergänzung, die wir bekommen. Ansonsten wünschen wir euch schon mal einen guten Sommer. Bei uns in Thüringen sind inzwischen schon seit einigen Wochen tatsächlich Sommerferien. Eine gute Ferien, die voll rauskommt. Wir wünschen euch eine gute Urlaubszeit. Auch wir machen eine kleine Sommerpause. Also wundert euch nicht, wenn es vielleicht ein bisschen länger dauert, bis ihr uns das nächste Mal hört. Aber es gibt uns weiterhin und wir sagen euch natürlich Bescheid. In diesem Sinne, erholt euch gut, verbringt viel Zeit draußen mit euren Lieben, erkundet neue Räume für Kultur mit Kultur und habt viel Spaß. 

 

Julia Jakob

…Und wir gehen jetzt erstmal ins Koi, weil es ist Dienstags.

 

Dirk Schütz

Schöne Zeit.

 

Julia Jakob und Kristin Oswald 

Tschüss. 

 

Abspann

Das war Dienstags im Koi, der Podcast von Kulturmanagement.net. Und wir hoffen, ihr schaltet auch beim nächsten Mal wieder ein. Über Feedback, inhaltliche Anregungen oder andere Kritik freuen wir uns per Mail an redaktion.kulturmanagement.net. Bis zum nächsten Mal.

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