Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net

Folge 5: Kultur zwischen Rechtsruck und Kurzvideos

Julia Jakob, Kristin Oswald, Dirk Schütz, Olivier Marchal

In dieser Folge „Dienstags im Koi. Ein Podcast von kulturmanagement.net" spannen die beiden Redakteurinnen Kristin Oswald und Julia Jakob einen weiten Bogen: Sie blicken zum einen zurück auf den Redaktionstreff vom 21.02.24, in welchem sie mit der KMN-Community über das Thema „Rechtsruck und Kultur“ gesprochen haben. Zum anderen ist im Februar die aktualisierte Auflage des YouTube-Leitfadens erschienen – mit einem Zusatz zu YouTube-Shorts, wobei auch Leitfaden-Autor Axel Kopp sich kurz zu Wort meldet. Das nutzen die beiden, um generell über die Digitalisierung im Kulturbereich und ihren Auswirkungen zu sprechen.

Podcast „Lage der Nation Nr. 369 – Spezial: Wer spaltet unsere Gesellschaft?“ mit Steffen Mau (Soziologe): https://lagedernation.org/podcast/ldn369-spezial-wer-spaltet-unsere-gesellschaft-steffen-mau-soziologe/ 

Beitrag von Gernot Wolfram zu „Schutzorte in der Polykrise“: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Schutzorte-in-der-Polykrise-Muessen-Kulturbetriebe-in-viel-staerkerem-Masse-zu-demokratischen-Plaetzen-werden,4624

Aktualisierter Leitfaden "YOUTUBE FÜR EINSTEIGER": https://www.kulturmanagement.net/Downloads/aktualisiert-Leitfaden-YouTube-fuer-Einsteiger,36

Leitfadenergänzung "YOUTUBE SHORTS“: https://www.kulturmanagement.net/Downloads/Ergaenzung-YouTube-Shorts,37

ARD/ZDF-Onlinestudie: https://www.ard-zdf-onlinestudie.de/

Magazinausgabe Digitale Besucher:innen: https://www.kulturmanagement.net/dlf/00cf0ded4596ca16ee75e0189c9f0d57,3.pdf

Beitrag Julian Stahl: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Social-Media-Arbeit-von-Kulturinstitutionen-Fremde-Wesen-im-bunten-Treiben,4378

Beitrag Kristin Oswald: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Kultur-auf-Youtube-Video-killed-the-Kultur-Gatekeeper-Star,4204

Aufzeichnung 85. KM Treff mit Lisa Ruhfus: https://www.kulturmanagement.net/KM-Treff/Dezember-2020-Warum-Kultur-auf-YouTube-fehlt-und-es-mehr-Erklaervideos-dazu-geben-sollte,80

Transkription der Folge: https://www.buzzsprout.com/2204591/episodes/14675278

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Folge 5: Kultur zwischen Rechtsruck und Kurzvideos

Intro

Ihr hört Dienstags im Koi, der Podcast von Kulturmanagement.net mit Kristin Oswald und Julia Jakob im monatlichen Gespräch über die Kulturwelt.

 

Julia Jakob

Hallo liebe Hörende und herzlich willkommen zu dieser weiteren Folge Dienstags im Koi, einem Podcast von Kulturmanagement.net. Wir nehmen heute am 23. Februar auf, um euch für den März eine weitere Plauschfolge auch bereitstellen zu können und heute sind wir wieder in trauter Zweisamkeit, beziehungsweise Dreisamkeit, wenn man unseren studentischen Mitarbeiter Olivier noch mit dazu zählt.

Kristin und ich, Julia Jakob, sprechen heute wieder alleine. Es ist tatsächlich diese Woche auch ein sehr gesprächsintensiv, ja, die Woche war sehr gesprächsintensiv für uns, weil ich glaube, wir sehen uns jetzt gerade schon zum dritten Mal online, oder Kristin? 

 

Kristin Oswald

Ja, genau.

 

Julia Jakob 

Ein Grund dafür war, dass wir einen weiteren Redaktionstreff als Austauschformat mit unserer Community hatten, wo wir über das Thema Rechtsruck und Kulturarbeit sprechen wollten, weil wir selber gemerkt haben, dass wir bei dem Thema nicht so richtig wissen, wie wir es redaktionell mit angehen können und da einfach auch von unserer Community ein bisschen Input haben wollten. Hauptauslöser dafür, dass wir uns überhaupt damit beschäftigt haben, war, dass wir zum einen in die Initiative „Weltoffenes Thüringen“ eingetreten sind innerhalb des Januars und uns damit verbunden dann auch die Frage gestellt haben, reicht es aus, insbesondere in diesem Superwahljahr, wo unter anderem in Thüringen die Prognosen für die als rechtsextrem eingestuften Landesverbände der AfD einfach auch ja bisher sehr, sehr gut leider aussehen. Und wir uns natürlich auch fragen, was macht das für unsere eigene Arbeit, was macht das für unser Leben in Thüringen und aber auch, was macht das für verschiedene Kulturakteur*innen an der Stelle. Und genau, dazu haben wir in kleiner Runde dann tatsächlich auch mit verschiedenen Menschen diskutieren können. Aber vielleicht magst du dazu auch noch etwas sagen, Kristin? 

 

Kristin Oswald

Ja, das ist natürlich ein hochkomplexes Thema, das muss man schon sagen. Einerseits haben wir in den letzten Wochen gesehen, dass die Proteste gegen die AfD und für Weltoffenheit in ganz Deutschland doch sehr viel Zulauf bekommen und dass das tatsächlich wohl auch das Wahlverhalten oder zumindest gewisse Parteipräferenzen bei Menschen beeinflussen kann. Natürlich sprechen wir da eher nicht über gefestigte rechtsextreme Weltbilder, denn die werden sich sicherlich auch nicht ändern, wenn andere Menschen sich dagegenstellen.

Aber man darf ja immer nicht vergessen, dass es die sogenannte stille Mitte gibt, die Unentschlossenen, die Menschen, die vielleicht in einem Punkt eher mittleren oder linken Parteien zustimmen, in einem anderen Punkt eher rechten und sich da unschlüssig sind oder die beispielsweise in ihrem Umfeld, das kennen wir aus Thüringen auch sehr, sehr stark in ihrem Umfeld, doch sehr, sehr stark von AfD-Wähler*innen umgeben sind und das Gefühl haben, und das ist ja oft ein Problem, das Gefühl haben, dass das tatsächlich eine Mehrheit ist, weil es die Mehrheit in ihrem Umfeld ist. Und wenn sie dann aber sehen, dass es sehr viele Menschen gibt, die auf die Straße gehen, sehr viele Institutionen und Unternehmen gibt, die entsprechende Initiativen unterstützen, dann hat man vielleicht doch das Gefühl, dass man mit seiner Meinung nicht so allein dasteht. Dann wird man vielleicht darin bestärkt, auch entgegen den Tendenzen des eigenen Umfelds sich politisch zu entscheiden.

Und also von daher ist es dahingehend schon eine komplexe Gemengelage. Und in Bezug auf den Kulturbetrieb wird es dann fast noch mal schwieriger, würde ich sagen. Und das haben wir auch in unserem Redaktionstreff und schon bei den Gedanken gemerkt, die wir uns vorher gemacht haben. Zum einen ist da natürlich die schon bestehende Problemstellung, dass auf kommunaler Ebene Mitglieder rechter Parteien, das können natürlich auch parteilose Menschen sein oder es müssen ja nicht nur Mitglieder der AfD sein. Auch in Thüringen war ja früher beispielsweise die NPD durchaus in kommunalen Gremien vertreten und dass dort durchaus schon Einflussnahme geschieht. Das muss man einfach so sagen. Also dass beispielsweise versucht wird, bestimmte Projekte oder Ausrichtungen von Häusern zu verhindern, dass man auch versucht, in die Programme einzugreifen, also die künstlerische Freiheit zu beeinflussen. Das ist ja auch, muss man ganz klar sagen, ein Ziel der AfD-Politik. Sie möchte halt auch eine deutsch ausgerichtete Kulturpolitik, und zwar hinsichtlich aller drei der drei P's, also Programm, Publikum, Personal. Also das heißt, da passiert schon ganz viel und deshalb steht natürlich die Frage im Raum, was bedeutet das, wenn die AfD auch in die höheren Gremien einsteigt, also beispielsweise auf der Landtagsebene vielleicht tatsächlich mal eine Regierungspartei stellt. Damit müssen sich Kultureinrichtungen befassen, weil es natürlich immer sein kann, dass es sie dann in irgendeiner Form betrifft und die Frage, wie man damit umgeht, wie man darauf reagiert, ist dahingehend eine eklatante, auf die es aber keine eindeutigen Antworten gibt, aber mit der man sich, glaube ich, übergreifend und im Austausch mit Häusern und Menschen, die schon Erfahrungen gemacht haben, auch mal austauschen muss.

Genau, das ist, glaube ich, eine Ebene, die ich persönlich für sehr wichtig halte, weil ich glaube, dass der Kulturbereich da noch sehr unvorbereitet ist und da noch nicht, ich will nicht sagen, erkannt hat, wie groß das Problem werden kann, aber vielleicht das noch so ein bisschen ausblendet oder dem auch noch so ein bisschen hilflos gegenübersteht. Das haben wir auch im Redaktionstreff gemerkt. Es war jemand vom Kulturrat Thüringen da, der darüber auch berichtet hat.

Ich sehe da noch zwei andere Ebenen. Ich versuche, mich kurz zu fassen. Die eine ist natürlich die Kommunikation nach außen. Also können und sollen Kultureinrichtungen sich politisch positionieren, wobei natürlich immer die Frage ist, wie genau man das macht, auf was für einer Basis man das macht. Aber die Tatsache, dass eben diese Initiativen der letzten Zeit doch zeigen, dass solche Positionierungen etwas bewirken können, spricht eigentlich dafür, ganz zu schweigen eben von künstlerischer Freiheit, der bestehenden Zusammenarbeit mit internationalen Künstler*innen und Kulturschaffenden. Also da sind ja einfach schon ganz viele Gründe da, warum man das tun sollte.

Und der dritte Punkt ist aber die Frage, und ich fand, das kam im Redaktionstreff auch sehr stark hervor, sind denn aber die Kultureinrichtungen tatsächlich selbst so tolerant, wie sie sich wahrnehmen? Und auch die Kulturschaffenden. Damit wollen wir natürlich nicht sagen, dass die Kultur irgendwie rechtsextrem ist.

Das glaube ich auch nicht. Aber ich glaube, wir tragen sehr gerne dieses Toleranzprinzip so ein bisschen als Plakette außen vor uns her. Wenn wir dann aber auf Themen wie Rassismus oder Diversität im Kulturbetrieb schauen, auf Reflektionen von künstlerischen Kanons und wie dort beispielsweise nicht-europäische Kunst und Kultur vorkommen, dann sind wir da vielleicht doch noch nicht an dem Punkt, an dem wir sein sollten.

Und die Frage, ob sich das dann wiederum auf das Verhältnis zu rechter Kulturpolitik auswirkt, die kann ich für mich noch nicht beantworten. Aber zumindest könnte ich mir vorstellen, dass das auch ein Grund dafür ist, warum die Kultur sich vielleicht nicht so stark positioniert, wie man sich das erhoffen oder vielleicht auch erwarten würde.

 

Julia Jakob

Ja, ich habe da jetzt auch die letzten Tage noch mal verstärkt drüber nachgedacht, weil ich aus dem Redaktionstreff mit dem Gefühl rausgegangen bin, okay, das ist das, was du auch beschrieben hast, dass es einfach sehr komplex ist und damit auch die Fragestellungen für die einzelnen Kultureinrichtungen super unterschiedlich ausfallen. Also sei es von einer Frage der Haltung, wie positioniert man sich als Haus, wie weit darf man gehen bis hin zu, wir arbeiten aber insbesondere mit internationalen Menschen und Verbänden auch zusammen und dort stellen wir fest, dass die Definitionen einfach sehr unterschiedlich auch sind und es einfach an der Stelle ja schon quasi ein Verständigungsproblem geben könnte, weil man etwas als rassistisch ganz anders einstuft in anderen Ländern, als das hier beispielsweise mittlerweile zur Grunddefinition auch dazugehört. Und was ich aber auch festgestellt habe, so in meinem privaten Medienkonsum diese Woche, ich habe mich verstärkt irgendwie mit den Inhalten des Makrosoziologen Steffen Mau beschäftigt und da auch verschiedene Podcasts zugehört, gerade wenn man eben darüber spricht oder das Gefühl hat, ist denn unsere Gesellschaft wirklich so gespalten und da sind er und seine Studienkollegen Thomas Westhäuser und Linus Luchs zu der Antwort gekommen in ihrer groß angelegten Untersuchung, die sie dann auch in Trigger-Punkte veröffentlicht haben, dass unsere Gesellschaft nicht so gespalten ist, sondern dass man schon eigentlich viel Grundkonsens hat zu verschiedenen Themen und es dann aber wiederum sehr unterschiedlich auch sein kann. Also selbst wenn man sich als sehr tolerant hält, dass es doch Themen gibt, die einen einfach an die Decke gehen lassen, wo man von außen sagen würde, aber wenn du doch eigentlich so tolerant bist, warum triggert dich das jetzt so, dass das glaube ich auch etwas ist, was da auf jeden Fall mit reinspielt und man natürlich dann auch in den Kultureinrichtungen vorfindet, egal wie weltoffen man sich als Haus erstmal positioniert. Es sind ja dann doch Individuen, die einfach als Personal dann dort auch aktiv sind und verschiedene Meinungen und auch Haltungen einbringen und nur weil man sich auf eine Grundhaltung geeinigt hat, bedeutet das ja nicht, dass dann auch alles im Kleineren irgendwie da dann irgendwie als Konsens vorherrscht und nicht vielleicht auch Reibungspunkte da sind und ich glaube, was uns allen dann aber an dieser Stelle auch nützt hätte und das war auch etwas, was im Redaktionstreff von einer Teilnehmerin geäußert wurde, dass man viel mehr Fehlertoleranz an der Stelle vielleicht auch braucht oder generell Toleranz, wenn man sich darüber verständigt und man auch natürlich Sorgen und Ängste zu bestimmten Themen äußern kann oder vielleicht auch sagt, ich weiß gar nicht, wo ich mich jetzt gerade hier orientieren soll, weil es ist irgendwie so diffus und dieses man weiß nicht mehr, was man sagen darf, ist da glaube ich etwas so plakativ und öde, wie das vielleicht für manche Menschen auch mittlerweile wirken mag, das aber nicht zu unterschätzen ist und wo man ja einfach vielleicht mit ein bisschen mehr Freundlichkeit untereinander dann auch merkt, dass man ja eigentlich erstmal in dieselbe Richtung denkt und die Ansätze dahingehend aber auch unterschiedlich sein können beziehungsweise auch die Startpunkte, von denen man ausgeht unterschiedlich sein können und dass das nicht bedeutet, dass der eine oder die andere jetzt die bessere Demokratin ist als die andere Person in der Einrichtung und was damit verbunden sicherlich auch einhergeht und es ist auch eine Beobachtung, die ich in einem privaten Gespräch nach einer Veranstaltung mit verschiedenen Kulturmenschen gemacht habe. Ich nenne jetzt keine Namen einfach, weil das auch im Privaten eben stattgefunden hat, aber da war eben auch ja eine Überlegung oder eine Sorge, die wir alle miteinander geteilt haben.

Erstens, kennt dann jemand von uns AfD-Wähler*innen? Und zweitens, woran liegt es? Und in dem Suchen nach Antworten auf diese Frage, woran liegt es, haben sich einige der Gesprächspartner, die eben sehr an einem demokratischen Diskurs auch interessiert sind, dann doch fast zerlegt und auch gestritten und ich sage jetzt nicht, dass man sich darüber nicht streiten darf, aber die Art und Weise, wie wir darüber reden, darf nicht in einem, ich habe jetzt aber hier die Deutungshoheit dann auch enden, sondern dass man auch da irgendwie versucht, flexibel zu bleiben im Denken und offen für andere Meinungen dahingehend, weil ich glaube, wir alle haben nicht die Antworten darauf, es sei denn, man zitiert dann entsprechende Studien und Untersuchungen aus der Soziologie, die sich damit eben schon länger befassen und vielleicht wäre auch das etwas, was Kultureinrichtungen an der Stelle ganz gut tut, gerade wenn man sich dann doch überlegt, wie können wir zum Demokratieerhalt beitragen, dass man mit solchen Akteur*innen dann auch verstärkt in den Austausch geht.

 

Kristin

Ja unbedingt, die Soziologie hat ja auch schon vor Jahrzehnten das sogenannte Toleranzparadox ausgemacht, also dass die Toleranz der Toleranten da endet und auch da enden soll, wo sie auf Intoleranz der Intoleranten trifft, also dass man, du kannst eigentlich Toleranz nicht vertreten, wenn du in diesem Rahmen Intoleranz akzeptierst, also beispielsweise natürlich gegenüber Menschen mit anderen Hintergründen und so weiter, also da, wo es einfach um Ausgrenzung, um Rassismen, Diskriminierungen geht, das ist ganz klar, aber ich habe schon auch das Gefühl, dass die Toleranz für andere Meinungen reduziert worden ist und ich bin da aber ganz bei dir, dass wir da ganz stark auf Studien einfach schauen können, weil es gibt einfach inzwischen unheimlich viel, beispielsweise auch aus den Kommunikationswissenschaften, die sich mit der Frage beschäftigen, wie man denn Kommunikation auch über Meinungsgrenzen hinweg wiederherstellen kann und ich sehe da eigentlich eine große Chance für Kultur, gerade auch im Sinne des dritten Ortes und des dialogischen Ortes, denn Kultureinrichtungen können sich ja nicht nur selbst positionieren und Beispiel sagen, wir treten für Meinungsfreiheit, künstlerische Freiheit, Diversität und Internationalität ein, sondern sie können auch Räume für Austausch schaffen, aber das ist natürlich eine schwierige Aufgabe, wenn der Austausch dann auch zwischen polarisierenden Personen im Zweifelsfall stattfindet, das heißt, man braucht da sehr gute Moderationen, Menschen, die da einfach geübt sind, die wissen, worauf es ankommt oder man braucht ganz klar strukturierte Formate auch, die vielleicht auch anders ausgerichtet sein können. Was meine ich damit? Die Wissenschaftskommunikation und die Kommunikationsforschung wissen eigentlich schon seit vielen Jahren, dass die Basis für Austausch nicht die Idee ist, den anderen überzeugen zu wollen oder die andere, sondern eigentlich auf die Gründe für Meinungen stoßen zu wollen, das heißt, es wird sehr stark diskutiert im Kontext mit Verschwörungstheoretiker*innen, dass es die andere nicht überzeugen kann, einfach Gegenargumente zu bringen, weil die Gegenargumente sind überall verfügbar, aber dass die Frage danach, warum man eine bestimmte Meinung vertritt, also warum die Meinung auch persönlich wichtig ist, viel eher zum Ergebnis führt.

Das heißt aber, das muss wirklich passieren im Kontext auch eines echten Interesses und nicht nur eines vorgetäuschten Interesses, sondern wirklich herausfinden zu wollen, was beschäftigt einen Menschen, damit er oder sie zu einer bestimmten Weltsicht kommt. Und da spielen ja ganz viele Sachen dann rein und dann ist man natürlich bei Punkten, die vielleicht mit dieser Weltsicht an sich gar nichts mehr zu tun haben, sondern vielmehr im persönlichen Erfahrungsbereich liegen, auch in Identitätsaspekten. Also es gibt einfach ängstlichere, beispielsweise ängstlichere, konservativere Menschen, es gibt offenere, mutigere, weltoffene Menschen, und die nehmen Veränderungen etwa ganz unterschiedlich wahr. Das hat Steffen Mauer ja auch sehr deutlich gemacht, gerade im Osten ist natürlich diese starken Veränderungen der letzten Jahrzehnte, die dafür sorgen, dass man einfach auch mit Veränderungen vielleicht schlechter umgehen kann, dass eher eine Überforderung eintritt. Also da spielen ganz viele Punkte rein, die selten etwas mit dem Thema und viel öfter etwas mit der eigenen Biografie zu tun haben, aber dennoch sehe ich hier die Möglichkeit für Kultur, eigentlich diese Dialogräume zu öffnen und sich damit, wie du sagst, auf jeden Fall zu Orten der Demokratie zu machen. Und das hat ja dann auch wieder ganz viel mit der Relevanz von Kultur zu tun, weil auch da muss man natürlich sagen oder kann man fragen, ist denn beispielsweise ein Theaterstück, eine Ausstellung, ein Konzert, das in welcher Hinsicht auch immer vielleicht Weltoffenheit vertritt, inwieweit kann das denn tatsächlich beim Publikum etwas bewirken?

Zur Kulturwirkungsforschung wissen wir so viel noch gar nicht auf dieser Ebene. Interessant ist es in dem Kontext auch nochmal über das Publikum nachzudenken. Wir hatten darüber auch im Redaktionstreff gesprochen und ich habe nochmal nachgedacht und auch mit ein paar Personen kommuniziert, die sich damit auskennen.

Und tatsächlich ist es scheinbar so, liebe Hörende, bitte korrigiert uns, wenn ihr da anderweitiges wisst, aber scheinbar ist es so, dass es zu politischen Präferenzen innerhalb von Gruppen des Kulturpublikums keine oder nur sehr alte Erhebungen gibt und dass man auch aus den neuen Erhebungen dazu im Moment eigentlich nichts ableiten kann. Was natürlich bedeutet, wir wissen nicht, mit was für einer Welteinstellung die Menschen in die Häuser kommen und wir wissen auch nicht, inwieweit das eine auf das andere einspielt. Also ob beispielsweise jemand, der ein Konzert eines Orchesters besucht, eines sehr vielleicht diversen internationalen oder auch ausländischen Gastorchesters.

Wenn so ein Mensch aber vielleicht eher eine rechte Weltsicht hat, wissen wir nicht, ob so ein Konzert etwas daran ändert oder ob dieser Mensch einfach im Publikum sitzt und die Musik schön findet und gar nicht darüber nachdenkt, das also gar nicht auf die Weltsicht überträgt. Wir wissen auch nicht, ob beispielsweise Menschen dann Ausstellungen, die sich mit Kolonialismus, mit Critical Whiteness, mit was auch immer beschäftigen, ob solche Menschen diese Ausstellung überhaupt besuchen. Das heißt, ob überhaupt potenziell die Chance besteht, dass wir da Dinge verändern können in den Perspektiven und in den Gedanken.

Und wir wissen eben auch nicht, ob das eher etwas ältere, eher etwas akademische Kulturpublikum, ob das aber auch politisch konservativ ist oder ob das vielleicht politisch eher links ist oder ob es natürlich ein breites Spektrum von allen gibt. Wir wissen es schlicht und einfach nicht. Das heißt, wir wissen gar nicht, was Kultur bewirken kann, was aber zum einen heißt, wir müssen es irgendwie rausfinden, weil es vielleicht doch wichtig ist, auch als Anknüpfungspunkt.

Und zum anderen heißt es natürlich nicht, dass wir nicht trotzdem versuchen können, Dinge zu tun und das auch wohlwissentlich tun können, dass damit im Zweifelsfall natürlich auch Probleme einhergehen können. Das haben wir ja in den letzten Jahren verstärkt gesehen in allen möglichen Kulturbereichen, dass wenn sie entsprechende Programme machen, das natürlich auch mit Gegenwind einhergehen kann. Aber das lässt sich ja nicht vermeiden oder ein Vermeidungsverhalten zu zeigen, kann ja irgendwie nicht die Lösung sein.

 

Julia Jakob

Ja, ich habe da auch noch mal so drüber nachgedacht. Das war ja auch etwas, das ich im KM-Treff noch mal auch so für mich reflektiert habe, dass ich das so spannend finde, dass ich gerade bei dieser klaren Positionierung in der Öffentlichkeit und das dann eben auch in Stücken, Ausstellungen etc. das Gefühl habe, dass der öffentlich geförderte Kulturbetrieb sich da deutlich schwerer tut als Kulturakteure in der Privatwirtschaft, insbesondere wenn man so in den populären Konzertbetrieb auch schaut.

Das mag sein, dass das einfach etwas ist, das in meiner Bubble sehr stark stattfindet, weil ich insbesondere Bands und Musiker in Privat folge, die da einfach eine ganz klare Haltung zeigen gegen rechts. Und man das allein mit dem „Wir-Sind-Mehr-Konzert“ in Chemnitz 2018 ja auch gesehen hat, dass es da innerhalb der Popkulturakteur*innen einfach eine ganz klare Haltung gibt und man da überhaupt nicht lange überlegt. Und ich auch da festgestellt habe, also das ist so spannend auch im Vergleich zu aktuell, da hat man beispielsweise auch von der Schlagerszene, insbesondere um Helene Fischer ganz stark eine Positionierung gefordert, also damals schon, die nicht stattgefunden hat.

Der Einzige, der sich aus diesem Bereich ganz klar geäußert hat, war Roland Kaiser, aber das auch, weil er schon seit Jahrzehnten gegen rechts offenbar auch aktiv ist. Aber ja, dass dieser Wandel zu einer „Wir-Sind-Mehr-Haltung“ zeigen erst jetzt in diesen Bereichen eben auch stattgefunden hat. Und das wiederum ja auch etwas ist, also klar, es gibt die Charta der Vielfalt für Kultureinrichtungen und auch, dass wir sind viele Bündnis, in dem auch schon seit längerem öffentlich geförderte Kultureinrichtungen aktiv sind.

Aber dass man sich da vielleicht auch in Zukunft erstens noch klarer positionieren muss und diese Haltung auch immer wieder nach außen trägt und sich dann vielleicht auch mit entsprechendem Gegenwind, dass das an der Stelle einem egal sein muss, wenn man sich überlegt, dass es eben um Demokratieerhalt geht. Gleichzeitig, und auch das ist ja etwas, was von verschiedenen Menschen in der Kultur auch immer wieder kritisch gesehen wird, darf nicht darüber hinweggetäuscht werden, dass ein Hauptproblem, das wir auf jeden Fall mit angehen müssen, auch einfach das desaströse Bildungssystem ist, in dem wir uns befinden. Und wenn wir über Demokratie-Stärkung sprechen, da natürlich Bildungseinrichtungen an erster Stelle auch stehen müssen, um diese Aufgabe zu übernehmen. Und der Kulturbetrieb aber an der Stelle natürlich, wo es so desaströs ist, auch Orte schaffen kann, also in diese Lücke, die sich da aktuell noch auftut, hineingehen kann, um das irgendwie mitzukitten. Und das kann in Form dieser Dialogräume passieren, die du gerade auch schon angesprochen hast, über die ja beispielsweise auch, ich erwähne ihn hier nochmal, Gernot Wolfram auch zuletzt einen Beitrag geschrieben hat, inwiefern Kultureinrichtungen Schutzorte der Demokratie werden können, eben durch verschiedene Formate, die man dann auch in Form von Drittenorten vielleicht anbietet und über das Konzept des Drittenortes aber auch hinaus.

 

Ja, als eben auch, dass man verschiedene Akteur*innen der Zivilgesellschaft einlädt und entsprechende Podien dann auch besetzt. All das sind, glaube ich, wichtige Möglichkeiten, wobei auch da das Toleranzparadoxon auf jeden Fall mitgedacht werden muss. Und ich mich auch die letzten Wochen immer wieder mit der Frage beschäftigt habe, wie ich eigentlich über die Aktion der Berlinale denke.

Also für alle, die es nicht mitbekommen haben, ich glaube zwar nicht, dass das irgendwie bei den Kulturmenschen untergegangen ist. Aber die Berlinale hat für einen öffentlichkeitswirksamen Skandal und Aufschrei gesorgt, da sie zwei AfD-Politiker eingeladen hatte zur Eröffnung. Und das natürlich insbesondere mit Blick auf die Recherchen, die das Korrektiv einige Wochen zuvor erst veröffentlicht hat und damit auch noch mal klar gezeigt hat, wo die AfD insbesondere verortet ist, einfach etwas ist, über das man in der heutigen Zeit unbedingt reden muss. Und ich glaube, da das Hauptproblem aber vor allem auch war, dass man von Seiten der Berlinale selbst sich über seine Kommunikation, und das ist eben auch ein weiterer Punkt, keine Gedanken gemacht hat. Also wie kommunizieren wir das jetzt nach außen, wenn wir so eine Entscheidung treffen? Auch das hat ja etwas mit Haltung zu tun. Und man da einfach auch noch mal sehr krass sehen konnte, dass die Krisenkommunikation und damit ist die Berlinale sicherlich nicht alleine, sondern das wird vielen Kultureinrichtungen so gehen, etwas ist, wo man auch in diesen Zeiten, wo man mit einem Rechtsruck konfrontiert ist, einfach noch viel stärker reingehen muss.

 

Kristin Oswald

Ja, absolut. Zum Bildungssystem nur noch einen Satz, weil es mir eingefallen ist. Also auch da weiß die Forschung, dass Bildung allein nicht zur Haltungsänderung nur beiträgt. Also das sieht man ja auch an diesen Argumenten. Also ich kann natürlich Menschen irgendwie ein bisschen angedeihen lassen, aber da es so eine enge Verknüpfung von Politik und persönlicher Biografie gibt, ändern ja weitere Informationen nichts an deiner persönlichen Biografie, also zumindest nicht unbedingt. Und das zweite Problem, das damit einhergeht, ist, dass man eben die Erwachsenen sehr gern vergisst, so ein bisschen. Also natürlich ist es wichtig, Kinder und Jugendliche zu bilden, das ist gar keine Frage, aber wir haben das Problem ja jetzt und wir haben das Problem jetzt bei Erwachsenen und spezielle Formate für Erwachsene sind ja in sehr, sehr vielen Bereichen eher nachrangig gegenüber speziellen Formaten für Kinder und Jugendliche. Und damit meine ich nicht eine Ausstellung oder ein Konzert oder eine Aufführung, die sich natürlich irgendwie an Erwachsene richten, sondern eben Bildungsformate, dialogische Formate, partizipative Formate, die speziell darauf ausgerichtet sind, mit Erwachsenen an solchen Themen auch zu arbeiten. In Bezug auf Kommunikation, glaube ich, ist grundsätzlich das Problem, dass man diesen Kommunikation shift, der mit den sozialen Medien einhergeht, gefühlt immer noch nicht so richtig auf die Reihe bekommt. Und damit meine ich gar nicht Kommunikation in den sozialen Medien, sondern dass mit der Demokratisierung, die ja in der Kommunikationswelt einhergeht, auch eigentlich die Erwartungshaltung verbunden ist, dass auf allen anderen Ebenen auch transparenter kommuniziert wird. Und das bedeutet eben nicht nur, dass man Aussagen, Ankündigungen oder Entscheidungen kommuniziert, sondern Entscheidungsprozesse auf dem Weg dorthin oder beispielsweise Arbeitsprozesse in Kultureinrichtungen oder Forschungsprozesse, die dazu geführt haben, dass man zu einem bestimmten Ergebnis oder einer bestimmten Erkenntnis kommt. Tatsächlich gibt es eine relativ neue Studie dazu, die gezeigt hat, dass vorwegnehmende Kommunikation etwas sehr Erfolgreiches sein kann. Das heißt, sich schon vorher zu überlegen, welche Probleme, Gegenargumente, Entwicklungen könnten quasi gegen meine Aussage, gegen mein Programm, gegen mein Statement getroffen werden und die dann in die eigene Kommunikation von vorn hinein einzubeziehen. Ein gutes Beispiel dafür, dass jetzt nur bedingt was mit dem oder eigentlich gar nichts mit dem Kulturbetrieb zu tun hat, ist ja das Heizungsgesetz vom letzten Jahr. Und in solchen Fällen, wenn man quasi klar macht, warum hat man sich für etwas entschieden, wie du es gerade gesagt hast, wie war der Prozess dahin, welche Argumente hat man einbezogen und auch beispielsweise sagt, das bedeutet nicht, dass alle Deutschen in den nächsten zehn Jahren neue Heizungen in ihre Häuser bauen müssen. Also sich vorher schon überlegt, was könnte denn die andere Seite quasi mir entgegenwerfen und das von vornherein entkräftigt. Dann nehme ich zum einen den Leuten den Wind aus den Segeln, weil sie gar nicht mehr so einfach irgendwie angreifen können. Und zum anderen wirkt es natürlich viel vertrauensbildender, wenn ich von Anfang an transparent bin und auch meine eigenen Denkprozesse quasi transparent mache. Ich weiß nicht, ob ich es im Podcast schon mal erzählt habe, aber es war sehr eindrücklich, deswegen erzähle ich es ganz kurz nochmal. Ich hatte letztes Jahr diese Ausstellung über jüdische Museen im GRASSI Museum in Leipzig besucht und ich fand das total interessant, weil es eine Ausstellung über Museen war und ich hatte mit der Direktorin Léontine Meijer- van Mensch auch kurz darüber gesprochen. Die sagte, naja, also es ist eine Wanderausstellung, die haben die nicht selbst konzipiert, aber die Annahme war, es wäre so eine KuratorInnen-Ausstellung, also eine Ausstellung, die sich vor allem Menschen anschauen, die in Museen arbeiten. Dem war aber nicht so, es war auch einfach ein sehr breit gestreutes Publikum da und die Reaktion dieses Publikums war sehr viel differenzierter und reflektierender, als es bei anderen Ausstellungen der Fall ist. Warum? Weil man das Ausstellung machen selbst thematisiert und hinterfragt hat, also auch klar gemacht hat, okay, wir haben festgestellt, beispielsweise in jüdischen Museen werden bestimmte Themen nicht aufgegriffen. Warum nicht? Es werden bestimmte Dinge immer auf dieselbe Art und Weise dargestellt. Warum machen wir das so? Und dass diese Fragen in der Ausstellung auch als solche dargestellt wurden, also gesagt wurde, wir als Ausstellungsmacher müssen über so was nachdenken. Das sorgt natürlich dafür, dass die Leute selbst, die Besuchenden, auch nachdenken. Wenn ich aber sage, ja, also wir jüdische Museen, wir machen die besten Ausstellungen, ist natürlich überspitzt, keine Frage, wie will ich dann die Leute zum Nachdenken anregen? Das heißt, in dem Moment, wo ich selber meine Gedankengänge, vielleicht auch meine Zweifel, vielleicht Lücken, was auch immer, nach außen trage, regle ich ja auch andere dazu an, vielleicht über ihre eigene Denkweise in ein Nachdenken zu kommen und das ist tatsächlich etwas, was ich aber bei Kultur im Moment noch eher selten sehe. 

 

Julia Jakob 

Ja, ich frage mich da auch immer wieder, warum? Also auch das hat sicherlich verschiedene Ursachen, aber warum man offenbar so eine Angst entweder davor hat, transparent zu sein oder dass man die Notwendigkeit noch nicht erkannt hat, dafür, dass das unglaublich bereichernd ist. Also nicht nur, dass man weniger angreifbar wird, sondern wie du jetzt auch schon sagtest, dass man ja auch andere Denkprozesse dann an der Stelle nochmal mit anstoßen kann und damit seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch nochmal ganz anders nachkommen kann. Was insbesondere, wenn wir über das Thema Demokratieförderung durch Kultureinrichtungen sprechen, etwas ist, das in der nächsten Zeit umso wichtiger werden wird. Ich glaube, es hat einfach was mit Gewohnheit zu tun.

 

Kristin Oswald

Ich glaube, man ist es einfach nicht gewöhnt, das zu machen, weil man ja über Jahrzehnte, nicht zu sagen Jahrhunderte, quasi Ergebnisse präsentiert hat, Statements in die Welt getragen hat und in diesen Begründungsdrang, in diesen Transparenzdrang, den gab es ja noch nicht, weil es gab ja quasi noch keine vollumfängliche Öffentlichkeit, in der jede Person sich auch äußern und aktiv werden konnte. Positiv oder negativ, keine Frage. Aber ich glaube, es hat einfach was mit Gewohnheit zu tun damit, wie man eben so arbeitet, wie man Dinge ebenso gewohnt ist zu tun und dass es natürlich immer schwierig ist, das zu ändern.Das ist gar keine Frage und das ist natürlich auch dann in der Umsetzung viel schwieriger ist. Aber im Zweifelsfall kann es, wenn man es richtig macht, wenn man sich gut vorbereitet, wenn man mit Menschen spricht, die sich damit auskennt, kann es eben auch sehr viel mehr bewirken und am Ende ist ja Wirkung das, was Kultur vor sich herträgt. Ob sie es tut, wissen wir halt nicht, weil Wirkungsstudien sind schwierig, aber zumindest ist es ja das, was Kultur vor sich her trägt, für sich selbst behauptet, sagt, dass sie zu Veränderungen beitragen. Und dann sollte es ja eigentlich der Anspruch sein zu sagen, okay, dann tun wir das auch wirklich mit Formaten, bei denen wir davon ausgehen, dass sie tatsächlich in irgendeiner Form zur Reflexion anderweitiger Ausrichtung ja etwas beitragen kann.

 

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Julia Jakob

Ich glaube, das ist auch ein Prozess, bei dem man noch viel stärker vielleicht auch zum einen in die Medienlandschaft gucken kann, weil auch da steht man ja einfach vor der Herausforderung, dass sich die Art und Weise, wie über etwas berichtet wird oder eben auch komplexere Sachverhalte berichtet wird, nicht mehr in diesem „He-Said-She-Said-Journalismus“ abbilden lassen, sondern dass man viel stärker auch da in die Einordnung mit reingehen muss als JournalistInnen. Und ich glaube, dass, und auch da sind wir wieder bei etwas, das du schon angesprochen hast, Kristin, wenn man auch da in die Kommunikationswissenschaft nicht nur reinguckt, sondern sich auch entsprechende Kommunikationsexperten in die Häuser mit reinholt, dass man diese Probleme dann auf jeden Fall auch gelöst bekommt. Und eben, und dann sind wir wieder beim Thema Social- Media, viel stärker auch auf dem Schirm hat, dass sich durch die sozialen Medien die Art und Weise, wie Nachrichten in die Welt kommen und damit auch Nachrichten über die Häuser und die Häuser selber natürlich viel schnelllebiger auch gestalten und man anders darauf mit unterreagieren muss, was nicht bedeutet, dass man sich für einen Shitstorm beispielsweise nicht auch Zeit lassen kann, um sich erst mal zu sortieren und darüber nachzudenken, wie gehen wir jetzt damit um. Auch das sollte eher Teil einer Krisenkommunikationsstrategie sein, aber einfach das mit einberechnet, dass die sozialen Netzwerke an der Stelle auch für die Art und Weise, wie Kultureinrichtungen arbeiten natürlich, aber auch wie sie wahrgenommen werden, einen erheblichen Einfluss haben. Damit wir bei unserem nächsten Themenkomplex für den Podcast sind, soziale Medien.

 

Kristin Oswald

Und wir haben den Übergang besser geschafft, als wir es vorher erwartet hatten. Genau, soziale Medien. Es passiert gerade wahnsinnig viel und das hat, wenn wir nur an Twitter beziehungsweise X denken, natürlich auch sehr viel mit gesellschaftlichen Veränderungen und politischen Veränderungen zu tun und gefühlt, vielleicht auch nicht nur gefühlt, wird die Welt der sozialen Medien gerade wieder einmal komplexer und verändert sich sehr stark.

Dabei ist es natürlich schwierig, auch für Kultureinrichtungen immer auf dem Laufenden zu bleiben und auch immer die richtigen Entscheidungen zu treffen und manchmal übersieht man dabei vielleicht auch Dinge oder Entwicklungen, die in diesem größeren medialen Diskurs um soziale Medien etwas untergehen. Unser lieber Autor Axel Kopp, der sich auch vollberuflich mit sozialen Medien und Marketing beschäftigt, hat uns dazu auch einen kleinen Input gegeben, für den wir ihm sehr dankbar sind.

 

Input von Axel Kopp

Die meistgenutzte Social-Media-Plattform in Deutschland ist? Nein, nicht Instagram und auch nicht Facebook, sondern YouTube. Laut ARD-ZDF-Online-Studie nutzen 43 Prozent der deutschen Gesamtbevölkerung ab 14 Jahren, also knapp 29 Millionen, den Dienst mindestens wöchentlich. Und weil das so ist, ist die Plattform auch für Kultureinrichtungen interessant. Besonders spannend sind dabei YouTube-Shorts, die ähnlich funktionieren wie TikToks oder Instagram-Reels, also kurze, hochformatige Videos. Auf YouTube kann man diese hervorragend zweitverwerten und damit eine sehr breite Zielgruppe erreichen.

 

Kristin Oswald

Wie ihr dem jetzt schon entnehmen könnt, geht es heute im ersten Teil unseres Gesprächs über soziale Medien um YouTube. Warum, kann man sich jetzt fragen. Alle anderen Kanäle werden im Moment gefühlt stärker diskutiert als YouTube. Aber, Axel hat es schon gesagt, der Hauptgrund ist der, dass YouTube eigentlich einer der wichtigsten Plattformen nach wie vor in Deutschland ist. Das ist ja total spannend, dass ganz viele Leute, anstatt zu googeln, zum Beispiel erst mal auf YouTube gehen. Und dass man YouTube ja für alles nutzt. Also das heißt, ich will etwas reparieren, ich gucke auf YouTube. Ich komme irgendwie mit meinem Online-Tool nicht klar, ich suche auf YouTube. Ich suche ein Konzert, eine Musik, eine Gute-Nacht-Geschichte für mein Kind, ich gucke auf YouTube. Das heißt, YouTube an sich ist ja wirklich eine Suchmaschine geworden, aber Kultur findet auf YouTube immer noch nicht so richtig statt. Unser Gefühl zumindest. Sondern es hat sich während der Pandemie ein bisschen verändert. Da gab es dann auch mal mehr Livestreams und solche Dinge. Aber so wirklich auf YouTube ausgerichtete, vermittelnde Kulturinhalte gibt es immer noch relativ wenig. Zugleich gibt es aber bei YouTube eine große Veränderung. Auch das hat Axel gesagt, nämlich YouTube Shorts. Ein neues Format, das im Prinzip genauso funktioniert wie TikToks, wie Kurzvideos, Reels auf Instagram und inzwischen auch auf Facebook. Und das ist natürlich ein Format, das tatsächlich vor allem junge Leute, und das sagen wir nicht nur, weil man immer über junge Leute spricht, wenn es um soziale Medien geht, sondern dass das tatsächlich für junge Leute ein ganz wichtiges Informationsformat geworden ist, weil man es eben zwischendurch im Bus oder in der U-Bahn mal kurz anschauen kann oder weil man kurz in die Pause geht oder was auch immer. Also es ist einfach dieser „snackable“- Content.

Und auch da stimmt ja das Vorurteil nicht, dass es immer Unterhaltung sein muss, sondern da kann es natürlich auch um Bildungsinhalte gehen, um kulturelle Inhalte. Und von daher bietet YouTube Shorts oder bieten allgemein Kurzvideos die Möglichkeit, sich mit einer Inhaltsart ganz viele Plattformen zu erschließen, weil man es eben einigermaßen ähnlich auf Instagram, Facebook, TikTok, YouTube nutzen kann, um darüber Reichweite zu bekommen. Was tatsächlich einer der Gründe dafür ist, dass wir unseren YouTube-Leitfaden aktualisiert haben, den, ihr ahnt es, Axel Koppel uns geschrieben hat. Und zwar schon vor einigen Jahren. Er hat dankenswerterweise sich nochmal die Zeit genommen, den ganzen Leitfaden durchzugehen. Das heißt, sämtliche Anleitungen, sämtliche Klicke hier und schaue da nochmal zu überarbeiten, entsprechend dem aktuellen Layout von YouTube zu aktualisieren. Und er hat eben auch oder wir haben gemeinsam ein komplett neues Kapitel zu YouTube Shorts auch geschrieben, in dem ihr auch ganz viele Anhaltspunkte für Kurzvideos auf den anderen Plattformen findet. Das heißt, das, was dort beschrieben ist, beispielsweise hinsichtlich Produktion oder Distribution, gilt eben auch für die anderen Plattformen. Genau, schaut doch mal rein. Ihr findet den Leitfaden natürlich in den Show Notes in der aktualisierten Version. Vielleicht noch ein Hinweis an diejenigen von euch, die den Leitfaden schon in der ersten Version damals gekauft hatten. Ihr müsst natürlich nicht den ganzen Leitfaden nochmal erwerben, sondern wenn ihr in eurem Account unter Downloads und gekaufte Inhalte schaut, dann findet ihr dort quasi die aktualisierte Version. Ihr müsstet aber bitte tatsächlich den neuen Zusatz zu YouTube Shorts separat erwerben. Der ist sehr günstig, aber da nochmal spezifisch Arbeit reingesteckt wurde und der Leitfaden dadurch umfangreicher geworden ist, haben wir den rausgenommen, aber zumindest die neuen Hinweise, was wo wie geklickt werden muss, findet ihr auf jeden Fall in dem Leitfaden, den ihr in eurem Account runterladen könnt. 

 

Julia Jakob

Genau, da vielleicht auch noch ein weiterer Hinweis, dass man über den Leitfaden hinaus natürlich sich selber auch immer etwas up-to-date halten muss, weil, und das haben wir jetzt alleine mit unserem Instagram-Account auch wieder gemerkt und damit auch mit Blick auf unseren Instagram-Leitfaden, den man an der Stelle ja auch nochmal mit erwähnen kann, dass es einfach super viele Funktionen gibt, die sich innerhalb kürzester Zeit ändern, die neu gelauncht werden, wo man dann von unserer Seite gar nicht hinterherkommt, das ständig auch mit einer Aktualisierung oder einem Zusatz dann zu ergänzen, um das zu erklären. Ich glaube, wer in dem Feld Social-Media-Marketing arbeitet im Kulturbetrieb, weiß das natürlich auch. Wichtig wäre einfach an der Stelle, dass das auch in die Strategie der Häuser mit dazukommt, dass man hier entsprechenden Mitarbeitenden auch immer wieder die Möglichkeit gibt, sich erstens weiterzubilden, aber auch so flexibel bleibt, um auf diese Änderungen von außen der Plattform selbst dann auch reagieren zu können.

Und man vielleicht auch viel mehr den Mut hat, Content 2 zu verwerten, weil wie du ja auch schon meintest, und das ist ja auch etwas, das Axel Kopp in dem Leitfaden sehr eindrücklich auch herausarbeitet, die YouTube-Shorts, also der Vorteil davon ist, dass es ja Hochbild und nicht Querformat ist, wie bei anderen YouTube Videos. Und du damit eigentlich, wenn du schon auf Instagram beispielsweise eine Reel-Strategie hast, entweder deine Reels für YouTube mitverwenden kannst oder wenn man einen TikTok-Kanal betreibt, natürlich auch die TikToks an der Stelle, entsprechend auf dieser weiteren Plattform mitverwerten kann. Und man sich einfach bewusst macht, dass man, je mehr Plattformen man bedient, umso mehr Zeit muss man natürlich auch aufbringen, um diese zu betreuen und sich einfach auch bewusst machen, wie viele Ressourcen dafür insbesondere personell da sind. Aber man an der Stelle in der Produktion einfach super viel Zeit einsparen kann, bestehenden Content entsprechend 2 zu verwerten oder direkt zu sagen, wir produzieren das jetzt und spielen es auf verschiedenen Kanälen aus, weil die Möglichkeit ist da. 

Kristin Oswald

Ja, und man muss ja auch einfach sagen, und wir sagen das seit 10 Jahren, man kommt ja eigentlich nicht drumrum. Also man muss sich das klarmachen. Axel Kopp hat die ARD-ZDF-Online-Studie erwähnt, auch Studien zur Kommunikationsnutzung bei Jugendlichen. Da ist es einfach so, das ist die Kommunikationsform. Und auch für die Erwachsenen, also auch für mich ist die Kommunikationsform, also es ist quasi der einfachste Weg, um an Informationen über ein bestimmtes Thema zu kommen, sind soziale Medien, um auf dem neuesten Stand zu bleiben. Und Jugendliche nutzen YouTube tatsächlich zu über 90 Prozent. Also es gibt eigentlich fast niemanden, der YouTube nicht nutzt. Und das wird natürlich mit TikTok nochmal verstärkt, ganz klar. Wir haben übrigens auch schon mit dem Museum für Naturkunde und dem Social-Media-Manager Mark Jerusel über deren sehr, sehr erfolgreichen TikTok-Account in diesem Podcast gesprochen. Also falls ihr da noch mehr Infos haben möchtet, dann könnt ihr da auf jeden Fall mal reinhören. Genau, und man muss einfach sagen, Video ist halt das Ding. Und natürlich ist das ein Zeitaufwand, das ist klar, aber ich sag mal, die klassische Pressemitteilung funktioniert halt nur noch bedingt. Die funktioniert vielleicht, wenn man Glück hat, gibt es dann mal drei, vier Journalist*innen, die das aufgreifen oder die mal eine Veranstaltung ankündigen. Aber davon spricht man ja tendenziell nicht Menschen unter 30 an. Und wenn man eben auch langfristig denkt und sich langfristig Kulturpublikum sichern möchte, dann muss man ja heute auch die Jüngeren ansprechen, weil das Kulturverhalten ändert sich nicht, wenn man älter wird. Was man in seiner Jugend, in seinem frühen Erwachsenen-Dasein nicht schon kennt und lieben gelernt hat, das kommt dann auch nicht, wenn man 50, 60 oder 70 Jahre alt ist. Und dann steht wieder einmal die große Frage im Raum, wie Kultureinrichtungen den Mehrwert sozialer Medien für sich definieren. Und ich muss sagen, heute ist es meiner Meinung nach eigentlich einfach nicht mehr zeitgemäß, das nur als Marketingkanal zu sehen, also nur zu sagen, man will Leute ins Haus holen. Wir reden so oft über Besuchsbarrieren in jeglicher Hinsicht. Und wenn ich an einem Ort wohne und ein Haus ist 500 Kilometer weit entfernt, dann ist das eine Besuchsbarriere. Und dann haben wir noch nicht über das Thema Nachhaltigkeit und Besuchermobilität gesprochen. Aber zu erwarten, dass also Leute von überall in das eigene Haus kommen, ist einfach unrealistisch und für ganz viele aus Geldgründen, aus Zeitgründen, aus Mobilitätsgründen auch nicht machbar. Das heißt, eigentlich muss meiner Meinung nach Kultur viel stärker an den Punkt kommen, zu sagen, wir vermitteln Kultur online. Wir bieten Kulturformate online an, die wir als gleichwertig betrachten. Und die Leute, die daran teilnehmen, die sich das anschauen, sind Besuchende. Und das sind nicht einfach nur Marketingzielgruppen. Und wenn man das so betrachtet, dann kann man natürlich auch überlegen, ob man einen gewissen Teil der Zeit und Ressourcen, die man in das Programm live vor Ort steckt, dann eben in das Onlineprogramm umwidmet. Aber ich sage mal so, ganz ohne Video wird es auf Dauer nicht gehen. Das heißt ja nicht, dass jedes super kleine Haus das alleine machen muss. Man kann auch Sachen zusammen machen. Das gibt es, glaube ich, immer noch total selten, dass, ich weiß nicht, die freie Szene einer Region beispielsweise zusammen einen TikTok-Kanal bespielt oder sowas. Aber da gibt es sehr, sehr viele Möglichkeiten. Aber man muss es natürlich auch wollen. Ressourcen, klar, ist eine Frage. Aber das Wollen ist meiner Meinung nach schon ein sehr, sehr großes Thema.

 

Julia Jakob

Ja, und ich denke dann immer, also man hat ja schon richtig viel da in den Einrichtungen selber. Du hast die Inhalte, die visuell schon super ansprechend sind. Also wenn man sagt, man will die Leute unbedingt ins Haus bekommen, dann ja genau deswegen, die sich auf jeden Fall auch in Bewegtbildformaten super abbilden lassen. Und gleichzeitig hat man insbesondere, und da kommt eben auch den Menschen, die in der Vermittlung arbeiten, eine ganz wichtige Rolle zu, die mehr Aufmerksamkeit bekommen müssen. Also sowohl im Analogen als eben dann auch für die digitale Vermittlungsarbeit, die all das, was sie im Analogen ja auch vermitteln würden, genauso gut auch im Digitalen tun können. Und ja, man an der Stelle, wie du auch schon sagtest, einfach dem digitalen Publikum viel mehr Bedeutung auch beimessen muss, dass man an der Stelle nicht sagt, ja, aber sie sind weniger wert, weil nur der zahlende Besucher, der zu uns ins Haus kommt, ist dann etwas. Und auch da muss man natürlich dann wieder darüber sprechen, wie entsprechende Förderstrukturen darauf reagieren können. Weil ja, wenn für die tatsächlich, und ich glaube, Doreen Mölders hat damals in der Magazinausgabe Digitale Besucher*innen, können wir auch nochmal verlinken, einen entsprechenden Beitrag auch dazu geschrieben, wie man das gegenüber der Politik und Verwaltung auch entsprechend formuliert und argumentiert bekommt, dass eben digitale Nutzer*innen genauso viel einzahlen auf die Reputation des Hauses und die Entwicklung des Hauses. Und das Ziel dann nicht immer sein muss, dass eben diese Online-Kanäle dazu führen, dass die Menschen dann auch einem analogen Besuch im Haus dann beiwohnen.

Und an der Stelle sei vielleicht auch nochmal der Kommentar von Julian Stahl aus dem Jahr, ich glaube, er hat ihn 2021 geschrieben, genau im November, empfohlen, den wir auch nochmal verlinken können, der eine ganz große Lanze für die Social-Media-Arbeit von Kulturinstitutionen bricht und da einfach nochmal ganz klar auch formuliert hat, dass dieser Arbeit mehr ansehend in den Häusern selbst auch beigemessen werden muss.

 

Kristin Oswald

Ja, das ist was, was ich auch die ganze Zeit denke. Kommunikation kann einfach keine nachgelagerte Aufgabe sein. Also früher war das, glaube ich, ganz automatisch so und ich denke auch, dass sich da in vielen Häusern schon was verändert hat.

 

Aber die Idee, wir machen erst mal Programm und dann Kommunikation, das lässt sich ja mit all diesen Entwicklungen, die es gibt, auch gar nicht vereinbaren mit Partizipation, mit Diversität, mit möglichst barrierefreier Kulturvermittlung auf welcher Ebene auch immer. Also all das funktioniert ja nicht, funktioniert übrigens auch vor Ort nicht, wenn wir nicht Kommunikation als primäre Aufgabe betrachten und übrigens auch nicht als etwas, das man halt kann, sondern als etwas, das man lernen muss, womit man sich beschäftigen muss, eben, indem man sich Studien anschaut, Beispiele anschaut, guckt. Was wissen wir denn auch schon?Also man muss ja auch nicht immer das Rad neu erfinden, sondern indem man die Zeit investiert und guckt, was haben denn eigentlich andere schon gemacht? Wie hat das funktioniert? Darauf kann man ja immer aufbauen. Und das gilt übrigens auch für die Krisenkommunikation. Wir haben ja vorhin schon darüber gesprochen. Aber ja, ich glaube, wir müssen davon weg und müssen Kommunikation deutlich mehr Aufmerksamkeit widmen und deutlich mehr Priorität auch zusprechen und uns aber zugleich natürlich fragen, inwieweit oder wen und in welchem Umfang digitale Vermittlung auch funktionieren kann. Weil man sieht natürlich auch, seitdem die Pandemie zu Ende ist, sind durchaus die Zahlen beispielsweise für Onlineführungen oder sowas zurückgegangen. Die Leute möchten wieder in die Häuser vor Ort. Ich glaube aber, dass ein Grund dafür ist, dass die Formate nicht stimmen. Also, wenn ich zu Hause bin, dann möchte ich eigentlich nicht unbedingt eine Ausstellung online sehen, sondern ich möchte eigentlich die Inhalte der Ausstellung in einer digital angemessenen Form vorgestellt bekommen. Und da ist eben beispielsweise ein TikTok-Video oder ein Kurzvideo was ganz anderes. Wenn ihr euch den Kanal vom Museum für Naturkunde in Berlin anschaut, dann seht ihr, dass die einfach in jedem Video ein anderes inhaltliches Thema greifen. Das kann ein aktueller popkultureller Zugang sein, ein Film beispielsweise oder eine Serie. Das kann aber auch die Forschungsarbeit sein und das einfach ganz kurz darstellen. Natürlich stehen die im Museum und zeigen auch Objekte und erklären Objekte. Aber dennoch ist der Zugang ein ganz anderer und eben angepasst an ein digitales Publikum. Und es ist halt nicht, wenn ich einen analogen Prozess digitalisiere, dann ist es trotzdem immer noch nur ein digitaler analoger Prozess und kein digitaler Prozess. Und was ich zum Beispiel sehr stark vermisse, sind Inhalte zum Kreativsein. Und wo wir übrigens auch sehen, dass das ist etwas, was Künstler*innen sehr oft machen. Also beispielsweise Maltechniken, Grundlagen des Schauspiels. Wie kann ich schöner sprechen oder besser präsentieren? Also quasi nicht nur hier ist die Kunst, die ist schön, sondern wie könnt ihr selbst künstlerisch kreativ tätig werden? Und das vermisse ich sehr stark, muss ich sagen, bei Online-Inhalten von Kultureinrichtungen. Das heißt Inhalte, die einen Mehrwert bieten, der über Bildung hinausgeht. Und sie sagen ja immer, wir sind nicht nur Bildungseinrichtungen, wir sind mehr als das. Aber das wäre ja ein total guter Ansatzpunkt, um auch Menschen über einen anderen Weg an sich zu binden, andere Menschen anzusprechen. Wir haben das in der Pandemie ganz oft diskutiert, dass beispielsweise auch da die Vermittler*innen Inhalte bereitstellen hätten können, um Kinder zu beschäftigen zu Hause. Und eben nicht nur mit hier schaue ich habe ein schönes Objekt, sondern was könnt ihr mit euren Kindern kreativ zu Hause tun, um die Kinder auch glücklich zu halten? Also das heißt, man muss da anders denken und anders rangehen. Und dann kann es auch vielversprechend sein, glaube ich. Aber nicht, wenn der Anspruch ist, mit dem, was wir machen, wollen wir die Besuche vor Ort erhöhen. 

 

Julia Jakob

Ja, und auch das Know-how, was einfach an allen Häusern ja vorhanden ist, anders zu betrachten. Ich weiß, dass auch das etwas war, dass wir während der Pandemie immer wieder auch miteinander besprochen haben, uns gewundert haben, dass es entweder nicht so öffentlichkeitswirksam kommuniziert wurde, wenn es sowas gab, aber uns beiden ist nie etwas Entsprechendes dann auch unter die Nase gekommen, dass man ja verschiedene Workshops auch aus den verschiedenen Berufen, die an den entsprechenden Häusern dann vorhanden sind, also sei es Workshops zum Thema Malen oder eben auch, wenn man in den Bereich der darstellenden Kunst dann reingeht, da sämtliche Sprech- und Gesangstrainings etc., die man hätte anbieten können, um als Haus weiterhin auch auf Sendung zu sein. Und es dann wiederum sehr spannend ist, wenn man sich die Entwicklung beispielsweise von Millie Morrison anschaut, die auch die Pandemie genutzt hat, um eben verschiedene Yoga-Videos und andere Fitnessformate dann auch über verschiedene soziale Kanäle dann auch anzubieten und die mittlerweile aus diesem Bereich nicht mehr wegzudenken ist und super erfolgreich auch wurde. Und auch das ist etwas, was Kultureinrichtungen mit, vor allem wenn man dann in den Tanz vielleicht auch reinguckt, auch hätten irgendwie schaffen können, dass man da eben auch entsprechende Workouts oder ähnliche Formate mit anbietet und gleichzeitig aber auch sagen kann, das sind Menschen, die hier bei uns im Haus arbeiten.

Was ich noch als positives Beispiel zum Thema, wie kann man das vielleicht auch bündeln, sagen wollte, das hat weniger mit der Vermittlung zu tun, sondern erstmal vor allem mit der Sichtbarkeit, die Marketingabteilung der Kulturdirektion Erfurt macht etwas sehr Spannendes. Und zwar haben sie allen Kulturakteur*innen der Stadt gesagt, also sowohl im engeren als auch weiteren Sinne, dass sie in ihrer Instagram-Arbeit, insbesondere in den Storys, die Kulturdirektion mit dem Hashtag beziehungsweise dem Handel „Erfurt Kultur“ taggen sollen, damit sie das wiederum in ihrer Story dann auch aufgreifen können und sie spielen da alles Mögliche von Veranstaltungstipps über aktuelle Entwicklungen in der Stadtkultur dann auch aus und haben zudem mit dem Kulturladen, das ist eine, man kann sagen Schaufensterfläche, die im Erfurter Rathaus mit vorhanden ist oder ein Raum, der zum Erfurter Rathaus dazugehört, da auch nochmal eine digitale Installation, bei der diese Storys die ganze Zeit durchlaufen, sodass man quasi auch als Touri an der Stelle oder wenn man sich irgendwie sonst durch das Erfurter Stadtbild bewegt und dort vorbeikommt, das auch nochmal sieht, was ich irgendwie ein sehr schönes Format finde und eigentlich auch sehr einfach, um an der Stelle so der Aufgabe als Multiplikator, die das Stadtmarketing dann an der Stelle auch hat oder das Kulturmarketing der Stadt Erfurt nachzukommen und gleichzeitig wirklich als Verbindung zu den einzelnen Akteur*innen der Kultur dann auch fungieren zu können. 

 

Kristin Oswald: 

Ja, absolut und ich finde, das unterstreicht ja auch nochmal, dass gar nicht jeder oder jede etwas Eigenes machen muss. Also speziell, wenn man die Ressourcen nicht hat. Die Informationskonkurrenz online und in den sozialen Medien ist natürlich unendlich groß. Es gibt alles, es gibt jede Art von Inhalt und dann ist natürlich die Frage, wenn ich beispielsweise als Stadtmuseum vor Ort natürlich interessante Themen von vor Ort anspreche und ein Publikum, stehe ich online aber in Konkurrenz zu allen anderen Stadtmuseen vielleicht, die es gibt. Und das muss ja nicht sein, sondern man kann ja auch über diese Konkurrenz hinaus, ich sagte es schon, Dinge zusammen machen. Gerade auch Multiplikator*innen, die Kulturverwaltungen, die Verbände können da natürlich sehr stark agieren, was meiner Meinung nach auch dem digitalen Publikum entgegenkommt, weil niemand ist in der Lage 500 Theatern, 6000 Museen und zig Orchestern online zu folgen und zu schauen, was die alle machen und sich den ganzen Content, den die wieder produzieren, anzuschauen. Das heißt, wenn man da kondensiert miteinander, aber dafür qualitativ hochwertiger Inhalte entwickelt, dann kommt es meiner Meinung nach allen zugute, weil man muss natürlich ganz klar sagen, es gibt eine Informationsflut und damit geht auch Überforderung einher, weil es ist unmöglich immer über alles auf dem Laufenden zu bleiben. Und das gilt natürlich für die Kulturschaffenden, wie es auch für das Kulturpublikum geht. Das muss man ganz klar sagen. Das heißt, eher Bündelung im Hinblick auf Qualität kann da durchaus sehr viel mehr bringen oder sehr viel mehr zumindest ermöglichen, als es die Idee tut, dass jedes Haus immer alles allein machen muss. Was ich, glaube ich, nochmal ganz wichtig finde zu sagen, also ihr braucht nicht die Scheuhaben oder die ja oft auch genutzte Ausrede zu sagen, wir können das gar nicht, weil gegebenenfalls kann man es eben zusammen mit anderen tun.

 

Julia Jakob

Ja und ich glaube, dieser Kooperationsgedanke oder sich generell mit anderen zusammenschließen, würde jetzt auch nochmal einen guten Bogen zurück zu unserem Einstiegsthema schaffen, wie man eben als Kulturmensch sich stark gegen den Rechtsruck machen kann. Und auch das ist etwas, was gemeinsam am besten gelingt. Also so banal, wie das klingt, das ist ja eine Binsenweisheit, aber ja, dass man sich an der Stelle natürlich auch dann auf solche Dinge ebenfalls fokussieren kann. Dass man sagt, wenn wir an der Stelle inhaltlich schon zusammenarbeiten, warum denn dann nicht darüber hinaus auch einfach als starkes Bündnis auftreten. 

 

Kristin Oswald

Ja und das sieht man ja an den Projekten, die es auch schon gibt, die in solche Richtungen gehen, dass die eigentlich immer mit PartnerInnen aus der Zivilgesellschaft auch arbeiten, mit Stiftungen, mit Vereinen, mit Initiativen und allem, was es gibt. Das heißt nicht nur mit Leuten, die sich inhaltlich mit Themen auskennen, sondern die zum Beispiel auch mit dem Thema Hate Speech umzugehen wissen, was natürlich online wie offline ein Problem sein kann. Und tatsächlich ist es so, dass zumindest, oder es scheint so zu sein, weil auch dazu gibt es nicht wirklich Erhebungen, Kultureinrichtungen damit eher vor Ort als online Probleme haben. Wenn wir an die Kolonialismus-Ausstellung in der Zeche Zollern denken, bei der es Tage gab, an denen weiße Besuchende die Ausstellung nicht sehen konnten, weil man eben einen Safe Space schaffen wollte für People of Color. Und natürlich gab es da wieder einen Shitstorm und es gab Proteste vor dem Haus und natürlich gab es das auch online. Aber in sehr vielen Fällen passiert es eben primär vor Ort und in sehr vielen Fällen vor allem von Leuten, die dann den Inhalt selbst gar nicht kennen, also die die Ausstellung, die Aufführung, was auch immer gar nicht besucht haben. Aber es gibt ja inzwischen sehr viele Menschen, die sich damit auskennen und die sich auch online damit auskennen. Und die sich auch online damit auskennen. Das heißt, auch da ist die Angst vor potenziellen Hate-Speech-Attacken wie auch immer gerechtfertigt, aber man kann sich da schon im Vorhinein Hilfe suchen und Gedanken machen, wie man damit umgeht. Und natürlich auch überlegen, ob man nicht einer rigorose "Blockieren-und-Löschen-Strategie" entsprechend fahren muss, damit das Ganze quasi nicht immer größer und größer wird. Ich meine, ich bin sehr froh, dass es den Kulturbereich bisher nur bedingt trifft, aber gleichzeitig wird natürlich auch deutlich, dass je mehr Formate sich mit entsprechenden Themen beschäftigen, desto größer wird dieses Problem werden. Ein gutes Communitybuilding kann ja aber auch dazu beitragen, dass in der eigenen Community Follower einschreiten, selbst gegenargumentieren und man auch nicht alleine dasteht. Aber grundsätzlich ist diese Angst, obwohl sie gerechtfertigt ist, passiert sie im Kulturbereich, passieren solche Dinge im Kulturbereich eher nicht so oft. 

 

Julia Jakob

Ja, hoffen wir das so bleibt. 

 

Kristin Oswald

Ja, ein gutes Schlusswort. Das ist eine positive Aussage, die man auch mal betonen muss. 

 

Julia Jakob 

Ja, definitiv. Insbesondere mit Blick auf konstruktive Berichterstattung, um mitzumachen. An der Stelle vielleicht nochmal der Aufruf an euch, liebe Hörende, wenn ihr zu all den Themen, die wir gerade besprochen haben, also sei es Umgang mit dem Rechtsruck in welcher Form auch immer als eben auch zu Themen Social-Media-Kommunikation und Kulturvermittlung auf den verschiedenen Plattformen, meldet euch gerne bei uns. Schreibt uns gerne eine E-Mail, wenn ihr selbst dazu berichten könnt oder wenn ihr Wünsche ganz konkret habt zu bestimmten Dingen, über die ihr informiert werden wollt. Dann kommen wir dem natürlich gerne nach. Und ansonsten wünschen wir euch jetzt einen guten Start in den März. Bleibt weiterhin gesund. Ich hoffe, die Erkältungswellen kommen mit den wärmeren Temperaturen jetzt auch zum Erliegen. Genießt den Frühling. An alle Allergiker*innen …

 

Kristin Oswald

… bleibt stark!

 

Julia Jakob

Ja, bleibt stark. Auch das geht vorbei. 

 

Kristin Oswald

Bis zum nächsten Mal!

 

Julia Jakob

Bis denn!

 

Abspann

Das war „Dienstags im Koi“, der Podcast von Kulturmanagement.net und wir hoffen, ihr schaltet auch beim nächsten Mal wieder ein. Über Feedback, inhaltliche Anregungen oder andere Kritik freuen wir uns per Mail an redaktion.kulturmanagement.net. Bis zum nächsten Mal!

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