
Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Im Podcast "Dienstags im Koi" bespricht die Redaktion von Kultur Management Network einmal im Monat aktuelle Kulturmanagement-Themen. Julia Jakob, die Chefredakteurin des Magazins, und Kristin Oswald, die Leiterin der Online-Redaktion, teilen darin ihre Gedanken zu Entwicklungen im Kulturbetrieb.
Seit der Pandemie arbeitet das Team von Kultur Management Network vor allem im Homeoffice. Nur der Dienstag ist der feste Bürotag und das bedeutet auch: Wir gehen zum Mittagessen ins Koi7, unser Weimarer Lieblingsrestaurant. Der Name Koi7 geht auf das altgriechische Wort Koine zurück, das gemeinsame Sprache bedeutet. Dazu passend besprechen wir im Koi7, was gerade in der Welt und im Kulturbetrieb passiert. Was läge also näher, als einen Podcast danach zu benennen?
Wie unsere Mittagspausen im Koi7 ist auch der Podcast ein Plausch, hier zwischen Jule und Kristin, hin und wieder begleitet von unserem Chef Dirk Schütz oder anderen Teammitgliedern. In den bisherigen, vor allem textgebundenen Formaten der Redaktion gab es keinen Platz für diese Gespräche. In "Dienstags in Koi" teilen Jule und Kristin ihre jahrelangen Erfahrungen und ihr Wissen über den Kulturbereich, ordnen aktuelle Themen ein und geben Einblicke in ihren Redaktionsalltag. Zudem veröffentlichen wir im Podcast Interviews, die die Redaktionsdamen mit Kulturschaffenden führen. Damit ist "Dienstags im Koi" einer der wenigen redaktionellen, spartenübergreifenden Kulturmanagement-Podcasts.
Unser Podcast “Dienstags im Koi” und die redaktionellen Inhalte auf unserer Website sind für unsere Hörer*innen und User*innen kostenlos. Dennoch braucht all das viel Liebe und Zeit. Deshalb freuen wir uns über jede finanzielle Unterstützung. Dafür habt ihr zwei Möglichkeiten:
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Ein Podcast der KM Kulturmanagement Network GmbH.
Dienstags im Koi - der Podcast von kulturmanagement.net
Folge 4: Macht verbrauchen
In dieser Folge "Dienstags im Koi" sprechen unsere Redakteurinnen Kristin und Julia gemeinsam mit ihrem Sidekick und Chef Dirk über "Compliance und Governance", das auch das Thema des Februar-Magazins ist. Im Zuge dessen sprechen sie – auch mit Blick auf den Machtmissbrauchs-Skandal am Theater Erfurt – über die Frage von Macht und ihrer Verteilung im Kulturbetrieb. Außerdem geht es um die entfesselte Demonstrationswelle gegen rechtsextreme Demokratiefeinde und welche Rolle hier Kulturakteur*innen spielen (können) sowie um die Kultur- und Kreativwirtschaft – denn die Kultur- und Kreativpilot*innen 2023 wurden im Januar ausgezeichnet.
Magazin Ausgabe 176: Compliance & Governance https://cdn.kulturmanagement.net/dlf/8f37d8d6987ebd4c3b2562293e9d17d4,1.pdf
Regierungskommission Deutscher Governance Kodex: https://www.dcgk.de/de/
Defintion Governance: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/das-europalexikon/177023/governance/
Defintion Compliance: https://www.bpb.de/kurz-knapp/lexika/lexikon-der-wirtschaft/240576/compliance/
MDR Beitrag zum Theater Erfurt: https://www.mdr.de/nachrichten/thueringen/mitte-thueringen/erfurt/theater-missbrauchsvorwuerfe-verwaltungschefin-montavon-100.html
3sat Dokumentation Sex, Macht und Lügen im Film und auf der Bühne: https://www.3sat.de/gesellschaft/politik-und-gesellschaft/sex-macht-und-luegen-auf-der-buehne-100.html
Kultur in der Stadt. Stadtsoziologische Analysen zur Kultur von Albrecht Göschel und Volker Kirchberg: https://link.springer.com/book/10.1007/978-3-663-10580-0
Beitrag von Gernot Wolfram: Schutzorte in der Polykrise: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Schutzorte-in-der-Polykrise-Muessen-Kulturbetriebe-in-viel-staerkerem-Masse-zu-demokratischen-Plaetzen-werden,4624
Kultur- und Kreativpiloten 2023: https://www.kulturmanagement.net/Themen/Kultur-und-Kreativpiloten-20203-ausgezeichnet-Die-Kulturunternehmen-des-Jahres,4631
Transkription der Folge: https://www.buzzsprout.com/2204591/episodes/14449349
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Folge 4 Macht verbrauchen
Intro
Ihr hört Dienstags im Koi, der Podcast von Kulturmanagement.net mit Kristin Oswald und Julia Jakob im monatlichen Gespräch über die Kulturwelt.
Julia Jakob
Hallo, liebe Hörende, zu dieser neuen Ausgabe Dienstags im Koi, ein Podcast von Kulturmanagement.net. Wir freuen uns, dass ihr auch jetzt im Februar so zahlreich zugeschaltet habt, hoffentlich zu dieser zweiten Folge in 2024. Und ganz besonders freue ich mich, dass ich heute wieder mit meiner Kollegin Kristin Oswald und unserem Geschäftsführer Dirk Schütz spreche.
Ursprünglich hatte ich überlegt, so ganz „gemischtes Hack“-like mit einem Songtext-Zitat zu starten und es wäre „oh oh, Arschloch!“ gewesen. Aber ich habe gedacht, wahrscheinlich bringe ich euch damit ein bisschen zum Lachen. Aber angesichts verschiedener Dinge, über die wir heute zum Teil auch reden werden, wäre das wahrscheinlich ganz angemessen gewesen. Will da überhaupt jemand mit zufrieden sein, das können wir auch rausschneiden.
Kristin
Na gut, dass du nur drüber nachgedacht hast, dieses Zitat zu bringen und es dann ja doch nicht gemacht hast, offensichtlich. Und liebe Hörende, falls ihr euch fragt, warum nun genau dieses Zitat? In diesem Monat Februar ist unser Magazin zum Thema „Compliance und Governance“ erschienen und in diesem Kontext wollen wir natürlich auch über wieder einmal aufgetretene Missbrauchsskandale vor allem im Bereich der Darstellenden Künste sprechen und aber natürlich auch darüber, was Compliance und Governance darüber hinaus eigentlich bedeutet. Das Thema vorgeschlagen hat im letzten Jahr unser lieber Chef Dirk, weswegen er jetzt auch einmal kurz uns allen berichten darf, warum dir das Thema wichtig erschienen ist und was es eigentlich meint.
Dirk Schütz
Ja, hallo, ich könnte ja jetzt sagen, dass ich eine Glaskugel geschaut habe, aber nein. Eigentlich ist mir das Thema deswegen so wichtig, weil mir das Thema immer wieder als Berater über den Weg läuft oder als jemand, der in Unternehmen, Organisationen arbeitet, gerade wenn es darum geht, Visionen zu entwickeln, Leitbild zu entwickeln und ähnliches, über Werte, Überhaltung und Ähnliches zu sprechen. Ich aber gerade im Kulturbetrieb ganz häufig erlebe, dass es keine Governance-Strukturen oder keine klaren Governance-Strukturen gibt und dass es vor allen Dingen auch keine Compliance-Regeln gibt, die niedergeschrieben sind.
Interessanterweise ist das in der Wirtschaft völlig normal. Es gibt dazu ein Gesetz, vor allem für börsennotierte Unternehmen, die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex, an denen sich vor allem eben börsennotierte Unternehmen halten müssen, aber auch die Versicherungs- und Finanzindustrie ist da sehr weit mit solchen Regeln. Inwieweit die immer eingehalten werden oder dass wirklich verfolgt wird, ist nochmal eine ganz andere Frage.
Aber Fakt ist, dort spielt es eine Rolle und es spielt bei vielen anderen Unternehmen auch eine Rolle, die nämlich sehr ausführlich darüber innerhalb ihrer Unternehmen diskutieren, was Governance und Compliance für sie bedeutet und ich eben eher seltener darauf stoße in Kulturbetrieben. Bei öffentlichen Einrichtungen, die ich auch mal in der Beratung hatte, ist mir das schon über den Weg gelaufen. Dort ist es aber auch häufig so, dass es die gibt, aber keiner kennt sie.
Und wie gesagt, in Kultureinrichtungen habe ich davon noch nicht so viel gehört, obwohl sie eigentlich öffentlich gefördert sind, obwohl es wirklich auch Regelungen des öffentlichen Dienstes gibt, die wichtig sind, die da natürlich auch Überschneidungen bieten. Also natürlich gibt es gerade für Beamte oder Bedienstete des öffentlichen Dienstes auch ein Regelwerk, wie man sich zu verhalten hat. Aber ich finde selten Compliance-Regeln irgendwo sichtbar oder auch für die Mitarbeitenden nachvollziehbar.
Und das, was das Thema Governance betrifft, da haben wir jetzt gerade aktuell sehr, sehr viele Fälle wieder in Deutschland. Wir reden seit Jahren über Missstände an Kultureinrichtungen, die aufblocken und die natürlich auch den Kulturbetrieb als Arbeitsbereich nicht gerade attraktiv machen. Das hatten wir auch schon diskutiert.
Und deswegen war es mir so wichtig, mal dieses Thema ins Magazin zu bringen, was erstmal ganz sperrig klingt, aber eigentlich sehr, sehr viele Implikationen für das tägliche Leben, Arbeiten, Zusammensein mit sich bringt. Gerade, wenn man darüber redet, dass man ja im Kulturbereich über Werte spricht, über Haltung spricht und so weiter.
Kristin
Für alle, die jetzt denken, „Hä?!“, Dirk, erklär uns doch einmal kurz, was ist denn Compliance und Governance?
Dirk Schütz
Also unter Governance versteht man vor allem so Kontroll- und Steuerungsstrukturen in Organisationen und Einrichtungen. Letztendlich, wenn man es ganz runterbrechen will, auch die Aufbau- und Ablauforganisation einer Einrichtung, einer Organisation. Aber eben das, wie das ineinandergreift und was das bedeutet.
Und wenn wir gerade jetzt wieder aktuell Diskussionen im Erfurter Theater über Machtmissbrauch haben, geht das genau in dieses Thema rein, weil es eben darum geht, wie kann es eigentlich sein, dass top-down natürlich alles funktioniert, aber bottom-up, also von unten nach oben eben nichts durchkommt. Und da auch angeblich, also so richtig weiß man noch nicht, was dort alles vorgefallen ist, ist noch nicht öffentlich gemacht worden. Es gibt einen Bericht darüber, wie eben auch innerhalb eines Hauses Strukturen entstehen, ob sie nun aus sich selbst heraus entstehen oder bewusst installiert werden, die eben auch Machtmissbrauch begünstigen oder dafür auch da sein können.
Das meint also dieser Überbegriff der Governance. Nicht nur innerhalb, auch außerhalb, auch Beziehungen zu Lieferanten und ähnliches fallen damit drunter. Und Compliance ist das Regelwerk, dass Organisationen sich geben für das Miteinander.
Das sind Gesetze, Richtlinien, Kodizills, die sie entwickelt haben, die sie in ihrem Handeln und ihrem Miteinander leiten sollen. Das ist so grob beschrieben mal das, was Compliance und auch Governance meinen.
Kristin
Es sind also quasi nicht Prozessbeschreibungen im Sinne von Tätigkeitsbeschreibungen, sondern es meint den Umgang miteinander und zum Beispiel Regeln zur Entscheidungsfindung.
Dirk Schütz
Unter anderem aber auch zum Miteinander. Also wie verhalten wir uns miteinander? Wie gehen wir miteinander um? Was wollen wir? Was wollen wir nicht? Welche Werte stecken dahinter? Was darf man? Was darf man nicht? Auch an den Schnittstellen zu externen. Worauf achten wir? Achten wir auf bestimmte Dinge, die uns leiten in der Zusammenarbeit mit externen Dienstleistern zum Beispiel? Und und und… Es gibt eine ganze Menge, die darunterfällt.
Und Bestechlichkeit und solche Begriffe kommen da natürlich auch auf. Aber ich glaube, das geht auch weit darüber hinaus, gerade wenn es darum geht, wie wollen wir miteinander in unserer Organisation? Und da reden wir eben über die Organisationsunternehmenskultur.
Wie wollen wir da miteinander umgehen?
Julia Jakob
Vielleicht kann ich an der Stelle ergänzend noch einen kleinen Einblick in die Februar-Magazin-Ausgabe geben, die alle Hörenden natürlich auch wieder in den Shownotes verlinkt finden. Das, Dirk, was du gesagt hast, dass du den Eindruck hast, dass es in Kultureinrichtungen relativ wenig bisher vorhanden ist. Das ist auch eine Beobachtung, die beispielsweise die beiden Autoren des Einstiegsbeitrags auch gemacht haben.
Das sind Benjamin André und Johannes von Hülsen von der METRUM-Beratungs-GmbH, die auch verschiedene Kultureinrichtungen schon zu unterschiedlichen Dingen beraten haben und eben auch gesagt haben, was so schwierig ist an Compliance und Governance im Kulturbetrieb, das irgendwie zu finden ist. Vor allem, dass die Begriffe ja sehr weit sind und dass es dadurch erst mal sehr abstrakt wirkt und vielleicht auch mitunter etwas abschreckend dadurch. Und ganz viele Kultureinrichtungen sich dann an der Stelle natürlich auch fragen, ja, aber was sollen wir denn noch machen?
Das tun wir doch eigentlich schon. Und wiederum, wenn man so in den Wirtschaftsrecht-Bereich guckt, muss das als Compliance als Thema beispielsweise aufgekommen ist, das hat mir ein Wirtschaftsjurist im Interview gesagt, Malte Tober, muss es am Anfang auch, ja, viele vor die Frage gestellt haben, ist es jetzt wirklich neu oder ist es einfach alter Wein in neuen Schläuchen, wenn man prinzipiell all das auch schon vorgefunden hat. Genau, also das so an der Stelle noch so zur groben Einordnung.
Und ich glaube, was man an der Stelle auch sagen muss und das machen beispielsweise auch die beiden Einstiegsautoren sehr deutlich in ihrem Beitrag, dass ihre Begriffslandkarte, die sie in dem Beitrag auch aufgemacht haben, natürlich nicht vollständig ist und lediglich auf ihren Erfahrungswerten basiert, die sie gemacht haben. Dass es natürlich auch noch andere Begriffe geben kann, die das irgendwie mit strukturieren und letztlich jede Einrichtung für sich selber entscheiden muss, was man an der Stelle eben tut und nicht tut. Und ich glaube, womit beispielsweise dann eben die Relevanz, wenn wir jetzt auch auf das Theater Erfurt beispielsweise gucken, vielleicht da nochmal zur groben Einordnung an die Hörenden, die das nicht mitbekommen haben. Wir nehmen heute am 23. Januar auf. Seit gestern, dem 22. Januar, sind der Generalintendant des Theater Erfurt und die Verwaltungsdirektorin beurlaubt worden, nachdem eigentlich schon seit Ende des letzten Jahres Machtmissbrauchsvorwürfe und auch Vorwürfe von sexuellem Missbrauch aus dem Theater Erfurt an die Öffentlichkeit getrunken sind. Die damalige Gleichstellungsbeauftragte Mary-Ellen Witzmann hat das öffentlich gemacht, daraufhin auch ihren Job verloren. Also es sind sehr viele Prozesse, die damit auch verwoben sind, die es auch nochmal zu prüfen gilt auf jeden Fall.
Und seit Anfang Januar ist eine Berliner Anwaltskanzlei mit diesem Fall beauftragt gewesen und hat jetzt herausgefunden, dass an all diesen Dingen tatsächlich etwas dran ist, dass Regel- und Rechtsverstöße stattgefunden haben und man zumindest die Leitungsebene beurlaubt hat, ob das im Falle der Verwaltungsdirektorin überhaupt sein muss, bleibt noch zu diskutieren, weil prinzipiell liegt ja eigentlich die komplette Verantwortung beim Generalintendanten.
Kristin Oswald
Außer sie hat selbst was getan.
Julia Jakob
Genau, aber das nur so zur Einordnung. Und auch da gibt es verschiedene andere Medien, die sich damit mehr befasst haben, die wir euch auch natürlich gerne verlinken. Und auch da kann man natürlich sagen, was in Kultureinrichtungen auf jeden Fall eingerichtet werden sollte, wäre auch eine unabhängige Ombudsstelle beispielsweise, damit man solche Beschwerden, gerade wenn man eben doch einen in Anführungsstrichen Alleinherrscher an der Spitze hat, irgendwie dann doch so durchbekommt, dass man keine Angst haben muss, dass sowohl Betriebs- als auch Personalrat irgendwie gegen einen agieren, aus Angst davor selbst irgendwie sanktioniert zu werden. Und genau, dass man durch Compliance und Governance in diesen Einrichtungen einfach auch dieses Klima der Angst, was ja seit Jahren auch immer wieder beschrieben wird, mehr einschränken kann.
Dass man eben ganz klar sagt, okay, darauf haben wir uns alle geeinigt, auch in dem Miteinander, wie wir hier gemeinsam agieren wollen. Das sind ja mitunter auch einfach arbeitsethische Fragen, die da aufgemacht werden. Und was ich irgendwie auch immer wieder so im Nachgang des Interviews mit Malte Tober für das Magazin hatte, weil ich auch gefragt habe, also was braucht es denn beispielsweise auf Leitungsebene für ein Mindset, damit man eben nicht so anfällig wird?
Und was ich mir dann selbst auch als Antwort gegeben habe, und jetzt kommen wir wieder zu dem „Arschlocheinstieg“, dass wir vielleicht einfach weniger Arschlöcher in solche Positionen heben sollten. Es wäre irgendwie ganz cool, man könnte das durch irgendwelche Tests im Vorfeld auch in Auswahlverfahren mit einfließen lassen, dass das eben weniger der Fall ist. Wobei vielleicht vor Machtmissbrauch, wenn die Strukturen sowas begünstigen, auch niemand geschützt ist. Egal, wie gut man vielleicht auch denkt zu agieren.
Kristin Oswald
Genau, wir kommen eigentlich immer wieder auf das Thema Macht zurück. 3Sat hat ja gerade auch eine neue Doku veröffentlicht, da geht es um MeToo und Macht im Bereich Film und darstellende Künste und Theater. Und was die Doku meiner Meinung nach ein bisschen verpasst hat, klarzustellen, wir haben auch letzte Woche in Bezug auf Rammstein nochmal darüber gesprochen, ist, dass eben das Thema Macht in diesen Strukturen glaube ich oft unterschätzt wird. Und dass wieder im Anschluss an das Thema Compliance und Governance eben die Frage nach Entscheidungsfindung auch gekoppelt sein muss an die Frage nach, wie geht man denn mit Verstößen gegen Compliance und Governance um?
Das heißt, eigentlich braucht man ja dafür dann auch Strukturen. Es reicht ja nicht zu sagen, wir möchten, dass alle nett zueinander sind, sondern man muss ja auch definieren, was passiert, wenn das nicht der Fall ist. Und es ist ganz klar meiner Meinung nach, und wir sehen das eben immer wieder, dass diese Machtkonzentration eigentlich das Kernproblem ist in den Kultureinrichtungen.
Und auch der Grund dafür ist, warum es diese Probleme in den Kultureinrichtungen immer wieder gibt, weil natürlich eben dieses künstlerische Genie gleichgesetzt wird mit Führung, was eben nicht dasselbe ist. Also jemand, der gute Kunst macht, ist nicht automatisch auch eine gute Führungsperson. Und das sieht man ja auch, dass in den entsprechenden Gremien, in den Besetzungsgremien, aber dann auch in den Stadträten oder in den Entscheidungsorganen, das immer wieder gegeneinander abgewogen wird. Also es wird weder erwartet, dass diese Personen sich beispielsweise beim Thema Führung weiterbilden, beim Thema Diversität, Sensibilisierung, Teambildung, all diesen Dingen. Da wird überhaupt keine Erwartungshaltung oder oft keine Erwartungshaltung angesetzt. Und im Zweifelsfall ist eben die Aussage, ja, aber die Person macht so gute Kunst, das steht eben über diesen anderen Dingen. Aber ich habe es ja schon öfter gesagt und ich sage es auch gerne, ich finde, man muss durchaus über die Frage diskutieren, ob gute Kunst das tatsächlich wert ist. Weil man macht ja Kunst für die Menschen und nicht einfach für den luftleeren Raum. Und dass eben die Frage ist, wie geht man dann damit um? Weil ganz oft ist es ja so, dann kommt es raus, also überhaupt, dass das dann ganz plötzlich auftaucht. Aber alle wussten schon, alle hatten immer Angst, keiner hat irgendwas gesagt. Also da fehlt es ja offensichtlich eben an den festgelegten Regeln und an den Strukturen, auch damit umzugehen.
Also das heißt, im Zweifelsfall Zeugen und Zeuginnen zu hören, mit anderen Leuten drüber zu sprechen, Materialien zu sammeln, ein Gesamtbild am Ende zu machen und daraus eben eine Entscheidung zu treffen und nicht, einer Person passiert was, die geht zu einer anderen Person, die andere Person sagt, ja, aber wenn du da was sagst, dann verlierst du deinen Job. Das kann ja eigentlich nicht sein, dass die Personen, die im Zweifel die Regelverstöße begehen, eben auch die Macht haben, das Leben der anderen im Prinzip zur Hölle zu machen, ihre Karrieren zu zerstören. Es kann ja eigentlich nicht sein, dass wir das irgendwo als normal wahrnehmen. Und natürlich ist sexueller Missbrauch ein Thema, aber wenn ich so überlege, wir haben in den letzten Jahren auch immer wieder die Themen Unterschlagen beispielsweise gehabt, das Thema Bestechung taucht hier und da mal auf, wenn es um Aufträge geht. Wir haben das Thema Veruntreuung, dann werden Gelder von Leuten für irgendwelche privaten Dinge genutzt, auch im Kulturbereich. Also es ist ja nicht nur so, dass wir da über sexuellen Missbrauch oder Machtmissbrauch reden, sondern eben auch über andere Dinge.
Dirk Schütz
Und bei alledem, das macht das Ganze noch viel komplexer, muss man auch sagen, das ist ja gar nicht nur ein Problem des Hauses selbst nach innen geschaut, sondern für all diese Organisationen gibt es auch Aufsichtsgremien, gibt es in den Städten Stadträte, Kulturausschüsse, Werksausschüsse, die darüber zu befinden haben, beziehungsweise auch das kontrollieren sollen. Und auch da muss man ja dann konstatieren, dass da ein Versagen stattfindet. Denn bei vielen Theatern ist das nicht so plötzlich ist das da, sondern das sind schleichende Prozesse, da gibt es Hinweise, da gibt es schon Dinge, die aufgekommen sind, denen aber nicht nachgegangen wird, die sich dann verstärken. Jemand, der sich dann natürlich auch in der Situation findet, dass da gar keine Konsequenzen gezogen werden, der wird natürlich nicht in der Selbsteinsicht sagen, dann reguliere ich mich doch mal selbst, sondern im Gegenteil, dann ist der Spielraum viel, viel größer. Und dem vorzubauen, da gibt es halt viele, viele Mechanismen, die da greifen und wo auch eben, und das ist für mich immer ein ganz wichtiges Thema bei allem, was man mit Organisationen, Menschen diskutiert, nämlich beim Thema Verantwortung, wer seine Verantwortung wahrnimmt und nicht. Was ich gerne mal machen würde, weil das klang ja jetzt auch bei dem, was ihr gesagt habt, so raus dieser Geniekult und ähnliches, ich würde gerne mal mit führenden Verbänden, gerade von denen, die Häuser führen, egal ob das jetzt im Theaterbereich ist oder der Museumsbund, wo es um Museumsdirektorinnen und Direktoren geht, mal eine Diskussion führen, inwieweit eigentlich Compliance und Governance mit der Freiheit der Kunst, die bestimmt, das glaube ich, ganz häufig herangezogen wird, wenn es um solche Diskussionen und Themen geht, wie das eigentlich miteinander zusammengeht oder nicht und was eigentlich höher wiegt oder nicht und welchen Bereich eigentlich ausschließt oder nicht ausschließt. Also ich glaube, da gibt es immer ganz schnell Argumente, ja, das beengt ich ja auch und das schränkt ja die Freiheit der Kunst und Ähnliches ein und diese Diskussionen zu führen, mal in einem größeren Rahmen, auch mit Verantwortlichen von solchen Spitzenverbänden, da hätte ich mal große Lust, so etwas zu hören.
Kristin
Aber die Freiheit der Kunst kann ja nie über dem Gesetz stehen. Nein, also es kann ja nicht sein, dass quasi und, also wir reden ja hier nicht nur davon, dass ich sage, „Du blöde Jule!“, sondern davon, dass wirklich Gesetzesverstöße auch begangen werden, die unter den Teppich gekehrt werden und im Prinzip ist ja dann die Aussage, die Freiheit der Kunst ist wichtiger als das Gesetz in unserem Land und das ist ja was, was man grundsätzlich in Frage stellen muss. Und wo ich beim Thema Verantwortung mich dann eben auch frage, inwieweit sind zum Beispiel die Aufsichtsgremien in den Kommunen, bei den Trägern, in den Stiftungen, wer auch immer es ist, denn auch dafür haftbar zu machen, wenn sie dieser Verantwortung, nämlich die Aufsicht zu haben, ja eigentlich nicht nachkommen oder im Zweifelsfall eben Dinge unter den Teppich kehren. Das ist ja einfach eine ganz zentrale Frage.
Dirk Schütz
Aber das ist immer bei ganz schwierigen Diskussionen, weil genau dadurch entstehen ja Dinge, dass auch Verantwortliche häufig dann auch gar nicht wirklich wissen, habe ich die, also kann ich durchgreifen, kann ich da irgendwas dagegen tun oder nicht und im Zweifelsfall in der Unsicherheit vielleicht auch Dinge laufen lassen oder eben nicht so hineingehen in diese Angelegenheiten. Und das sieht man überall. Also warum sind so viele Stadtverwaltungen zum Beispiel so unfähig zu agieren, weil natürlich ganz viele Gesetzesvorgaben dazu führen, dass viele Leute unsicher sind und eher lieber ein bisschen weniger und konservativer agieren, als irgendeinem mit einem Gesetz in Berührung zu kommen, das ihnen wieder irgendetwas an Nachteilen bringt. Das ist das eine. Und dann muss man auch davon ausgehen, wer sitzt denn häufig in solchen Aufsichtsgremien? Natürlich auch Leute, die sich der Kunst zugewandt fühlen, die auch natürlich Theaterfreunde sind, Museumsfreunde sind und so weiter. Und vielleicht sogar ein viel, viel größeres Herz für die Kunstform und das, was dort gemacht wird, haben als für die Regeln. Und da ist auch ein bisschen der Hase im Pfeffer. Also in Erfurt ist es auch so, es gab vor zwei Jahren die Diskussion, oder ich glaube, vor zwei Jahren war das die Diskussion, ob der Vertrag des Intendanten...
Julia Jakob
Das war schon 2020.
Dirk Schütz
...oder 2020, ja, das ist so ursprünglich, das war schon vier Jahre, ob der Vertrag des Intendanten überhaupt verlängert wird. Dann hatte man als Kompromiss darüber geredet, ob es nicht nur zwei Jahre sind, um in dieser Zeit eine neue Intendanz zu besetzen. Und natürlich sind auch viele politische Entscheider, die auch im Kulturausschuss und im Stadtrat sitzen, dann trotzdem dazu gekommen, gegenüber einer Minderheit zu sagen, wir wollen, dass der weiter Intendant bleibt. Plus, natürlich auch, dem Oberbürgermeister, der auch eine enge Verbindung zu diesem Intendanten hat und da auch dafür geworben hat, dass der Vertrag natürlich verlängert wird. Und es waren schon im Vorfeld, schon seit Jahren, immer wieder auch Dinge vorgekommen und Regelmäßigkeiten, die natürlich auch dazu geführt haben, dass überhaupt die Diskussion kam, wird das wieder verlängert oder nicht. Und das kann man auch jetzt aktuell wieder nachlesen. Heute in der Zeitung gab es wieder einen Artikel dazu, dass eben auch zum Teil Ausschussmitglieder, die das angeregt haben, wirklich auf Dinge zu gucken, die schon vorgefallen sind und daraufhin zu sagen, wir verlängern eben nicht oder wollen eben auch eine neue Spitze haben, dass die dann eben ins Hintertreffen gerieten, weil natürlich Leute, die sich mit der Situation am Theater so wohl fühlten, die ja auch meistens nicht im Theater arbeiten müssen, dann gesagt haben, nee, wir verlängern.
Julia Jakob
Ich glaube, was man an der Stelle auch nicht unterschätzen darf, je länger quasi solche Verbindungen dann auch bestehen und je länger solche Vorfälle dann auch unter den Teppich gekehrt werden und da vor sich hingehen können, dass natürlich auch die wahrscheinlich berechtigte Angst bei allen Beteiligten von außen umso größer wird, dass man vielleicht auch mit zur Verantwortung gezogen wird, weil man auch in seinen Positionen in der Kulturpolitik, in der Stadtverwaltung etc. nicht seiner Aufsicht nachgekommen ist und da zu viel vielleicht auch nicht wissen wollte. Also es geht ja nicht mehr darum, dass man etwas weiß und es bewusst verschweigt, sondern auch Nichtwissen an der Stelle oder ein Wegschauen sind natürlich genauso schlimm in diesen Fällen, wenn es eben nicht zur Aufklärung entsprechender Fälle mit beiträgt. Und was ich gerade auch noch gedacht habe, dass man sich glaube ich, gerade wenn man sagt, der Kulturbereich ist was das anbelangt, doch noch sehr rückständig, sicherlich auch sehr viel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk abschauen kann, wie da entsprechende Richtlinien gemacht werden, warum die Themen da relevant sind, weil immer dann und ich glaube, das ist auch etwas, was viel zu oft vergessen wird, wenn man die Freiheit der Kunst hochhält. Öffentlich geförderte Kulturinstitutionen werden ja letztlich von Steuermitteln bezahlt und dass man an der Stelle einfach auch eine Verantwortung gegenüber der Bevölkerung hat, dass das alles ordentlich eingesetzt wird.
Dirk Schütz
Und wie man weiß, von extrem großen Bevölkerungsteilen auch mitgetragen wird, die das gar nicht nutzen.
Julia Jakob
Ja, das kommt ja noch mit dazu. Also weshalb an der Stelle natürlich auch verständlicherweise der Unmut vielleicht immer größer wird, warum man dafür eigentlich noch zahlt.
Kristin Oswald
Jule, gibt es denn im Magazin auch Beiträge, die sich mit anderen Themen als dem sexuellen Missbrauch beschäftigen und vielleicht sogar Beispiele anführen?
Julia Jakob
Ja, genau. Also es gibt von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz einen Beitrag von dem Intendanten Beat Fehlmann und dem Diversitätsbeauftragten André Oehlner, die über den Verhaltenskodex, den die Staatsphilharmonie verabschiedet hat, geschrieben haben, also wie dieser Prozess überhaupt zustande kam, worauf sie achten mussten, was dann eben auch so im Miteinander in dem Haus, weil es auch bei solchen Dingen natürlich sehr wichtig ist, dass es von allen Mitarbeitenden auch mitgetragen wird, dass sich alle abgeholt fühlen und auch abgeholt werden. Genau, dass man diese Dinge auch berücksichtigt, auch warum sowas jetzt sehr wichtig ist.
Und im Orchester gibt es beispielsweise anders als im Theater solche Kodizes noch gar nicht. Also die Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz ist da eine der ersten, die sich auf den Weg macht. Natürlich wird auch da immer wieder auf die Vorgaben, die der Deutsche Bühnenverein dazu schon gemacht hat, geguckt und entsprechend weiterentwickelt.
Und dann gibt es aber natürlich auch noch ganz andere Themen, gerade wenn wir so auf das Thema Teilhabe blicken, was ja auch ein Bereich von Governance auf jeden Fall ist, wenn wir auf Barrierenabbau blicken. Also nicht nur, was das Publikum anbelangt, sondern natürlich auch, wer kann denn überhaupt mitwirken. Wie können wir beispielsweise dafür sorgen, dass rein arbeitsethisch Barrieren abgebaut werden, damit auch Menschen mit Behinderung beispielsweise Zugang zu den Institutionen erhalten, also sowohl als Publikum als auch als potenzielle Mitarbeitende.
Da wird es einen Beitrag aus den freien Darstellenden Künsten geben vom Festival „Der Rahmen ist Programm“ in Chemnitz. Da berichten die beiden Festivalmacherinnen Gabi Reinhardt und Frauke Wetzel darüber, wie sie das eben für ihr Festival auch aufgerollt haben. Das gleiche kann man natürlich auch beispielsweise bei einer Preisvergabe stellen.
Auch da gibt es ein Festival „Das sechs Tage frei“, die sich auch einfach sehr kritisch mit ihrer eigenen Geschichte und auch ihren Strukturen auseinandergesetzt haben und die Preisvergabe in Frage stellen und sagen, also können wir denn wirklich einen besten oder eine beste auswählen, wenn überhaupt bisher noch nicht alle daran partizipieren können, was ich auch sehr, sehr spannende Fragen einfach finde, die sehr wichtig sind. Und Birgit Mandl und Maria Nesemann von der Uni Hildesheim haben außerdem ein groß angelegtes Forschungsprojekt zum Thema Cultural Governance gemacht, wo sie die Theaterlandschaft in Deutschland, Frankreich und Großbritannien einmal unter die Lupe genommen haben, weil all diese Theater auch mit der Legitimationskrise sich beschäftigen müssen. Also das ist nicht nur ein deutsches Phänomen, dass das Publikum beispielsweise schwindet und der Rückhalt in der Bevölkerung auch immer kleiner wird, sondern all diese Länder müssen sich eben auch mit diesen Fragen beschäftigen. Und auch das sind wiederum letztlich Kulturmanagement-Aspekte, die es da zu berücksichtigen gilt.
Kristin Oswald
Erstaunlich ist ja, dass unter all diesen Fällen irgendwie gefühlt Museen relativ selten vorkommen. Ich glaube oder ich könnte mir vorstellen, dass das zum einen daran liegt, dass jetzt vielleicht außer in den Kunstmuseen dieser Geniekult nicht so ausgeprägt ist, weil in den, also in allen Museen, die keine Kunstmuseen sind, das sind ja auch Wissenschaftseinrichtungen. Und da gibt es zwar natürlich die Direktionsebenen, die Kuratoren und Kuratorinnen, aber ich glaube, das ist nicht so auf dieses Genie an der Spitze so stark hinausgerichtet.Aber vielleicht ist es auch einfach so, dass die Museen bessere Strukturen haben, um sowas geheim zu halten oder unter den Teppich zu kehren. Vielleicht hat es auch was damit zu tun, dass es viel mehr Museen als Theater gibt. Also das, in 6.000, ich glaube inzwischen sind es fast 7.000 Museen in Deutschland. Ich sag mal, der Wechsel in ein anderes Haus dann vielleicht doch eher die Option ist. Oder dass man sich, man kennt sich zwar, aber es ist einfach bei 7.000 Museen irgendwie unmöglich, gefühlt 35.000 Museumsmenschen, dann doch persönlich zu kennen. Aber ich finde es sehr auffällig, dass das so ist, dass es also viel häufiger aus den darstellenden Künsten zu kommen scheint als eben beispielsweise aus dem Museumsbereich.
Dirk Schütz
Das kann an den Produktionsbedingungen abliegen. Aber ich glaube nicht, dass es weniger tyrannische Direktorinnen und Direktoren dann im Museumsbetrieb gibt. Was mich immer wieder erstaunt, ist halt, dass trotz Verfehlungen eben Menschen dann auch wirklich von Stellen zu Stellen gehen. Also das ist immer wieder zu beobachten, dass bei Verfehlungen Intendantinnen, Intendanten, Direktorinnen, Direktoren trotzdem weiter woanders auch angestellt werden, trotz des Wissens, das da ist. Keine Ahnung, was da dazu führt. Aber vielleicht haben wir jetzt gerade im Moment nur eine Situation, wo der Museumsbereich nicht ganz so nach vorne tritt. Keine Ahnung, ob das jetzt evidenter wird. Aber ich kann mir eben tatsächlich vorstellen, dass es an den Produktionsbedingungen, auch an den Abhängigkeiten innerhalb der künstlerischen Produktion an Häusern auch ist. Letztendlich der Kunstbetrieb ist ja nicht weniger eine Schlammkohle als der Theaterbetrieb.Dort wird ja auch Kunst produziert. Ich will jetzt nicht sagen, dass am Museum keine Kunst produziert wird, aber es ist eine andere Art, glaube ich, des Arbeitens und des Umgangs mit dem künstlerischen Produkt.
Kristin Oswald
Naja, das ist schon die Frage, ob es als künstlerisches Produkt wahrgenommen wird. Also ich sage mal, in einem kulturhistorischen, technikhistorischen, volkskundlichen Museum, dann ist es ja, deswegen sagte ich eher, das Objekt auch natürlich ein wissenschaftliches Forschungsobjekt. Da wird ja das Objekt zum einen nicht selber gemacht.
Also natürlich sind da auch mal Künstler*innen zu Gast. Aber grundsätzlich sind ja die Objekte das Objekt an sich. Und im Gegensatz zum Kunstmuseum geht es ja auch viel stärker darum, Objekte zu kontextualisieren, zu erklären, zu zeigen, wie man über diese, also zu den Ergebnissen, zu den Erkenntnissen über die Objekte kommt, als das Objekt in den weißen Raum zu stellen und quasi, wie es ja in den Kunstmuseen auch gern ist, in den klassischen White-Cube-Ausstellungen, dass du eben das Objekt, die Aura, wahrnimmst und darüber deine eigene Welt reflektierst. Das ist ja in den anderen Museen nicht unbedingt so. Von daher glaube ich, also es gibt durchaus diesen Geniekult, denn den hast du ja auch in der Wissenschaft.
Ganz klar. Und da an den Unis das Professorengefälle ist ja genau dasselbe Problem, das Machtgefälle. Das hast du halt immer da, wo du im Zweifelsfall befristete Kräfte hast, die auf deine Unterstützung, also die Unterstützung der Führungspersonen angewiesen sind, auf im Zweifelsfall Empfehlungen, Förderungen, Möglichkeiten der individuellen Entwicklung angewiesen sind. Da hast du das ja immer, deswegen ja auch in den Unternehmen ist das ja am Ende genauso, aber im Museumsbereich, wie du sagst, ist das tendenziell eher verteilt und tendenziell sind Kuratoren und Kuratorinnen in den Nicht-Kunstmuseen eben eher an der wissenschaftlichen Ausrichtung und Vermittlung interessiert und ich sage mal, dass das Sammlungspersonal, das quasi damit beschäftigt ist, die Sammlung zu bewerten und aufzuarbeiten, da ist nicht so dieser Geniekult so stark dahinter.
Dirk Schütz
Ja und trotzdem haben wir ja, wir kennen alle Erzählungen auch aus Häusern, wo viele Dinge schieflaufen und da genauso Verfehlungen auch stattfinden.
Julia Jakob
Ich glaube, dass man es vielleicht auch runterbrechen kann auf die Ebene, dass man überall, wo du in deine berufliche Verantwortung auch immer noch dein Ego mit reinbringst, umso mehr die Gefahr läufst, natürlich auch entsprechende Macht vielleicht zu missbrauchen, überhaupt dich an dieser Macht aufzugeilen oder das dann eben auch zu deinem, wie soll ich sagen, zu deinem Beruf einfach mit dazu zu zählen und darüber auch eine gewisse Selbstwirksamkeit zu entfalten und umso schneller ist man dann wahrscheinlich auch auf dem Weg, ethische Verstöße zu begehen, egal in welche Richtung.
Dirk Schütz
Und man merkt natürlich, da kommen wir wieder, das haben wir fast jede Sendung, das Thema Leadership auch ins Gespräch, weil es einfach auch noch keine wirkliche Ausbildung gibt, die Führung tatsächlich zum Thema hat und vermittelt. Das sind eben auch ganz klare Leadership-Probleme. Es ist eben eigenartig, dass es nach wie vor so viele Leute gibt, die denken, nur weil ich oben auf der Spitze stehe, strahlt alles nach unten ab, sondern es ist immer ein Team, eine Teamarbeit, es ist immer ein Teamergebnis. Die Häuser funktionieren, weil die Teams auch funktionieren, weil die auch leidenschaftlich für das arbeiten, was ihnen Spaß macht und wo ihr Herz dranhängt. Und dass die Führungsperson da strahlen kann, das kann ja sein und es ist ja vielleicht auch gar nicht schlecht, gerade wenn es um Öffentlichkeiten geht. Aber wenn man nur denkt, qua meiner Person ist alles so toll und die da unten tun dann was und ich habe in so vielen Häusern schon erlebt, dass die da unten dann von die da oben sprechen und da merkt man schon, dass irgendwas nicht in Ordnung ist. Das ist eben wirklich ein Problem. Also, wenn ich eine in mir gefestigte, integrierte Person bin und wirklich Leadership verstanden habe, dann weiß ich, ich kann das alles gar nicht ohne mein Team und ohne mein Haus und ohne, dass die Leute auch Bock haben zu arbeiten, sich entfalten können, dort auch Dinge umsetzen können, die für uns alle dann irgendwie wieder ein tolles Feedback vom Publikum oder von den Besucherinnen und Besuchern geben.
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Kristin Oswald
Ich finde es sehr schön, dass Julie gesagt hat, gerade Macht verbrauchen aus Versehen, weil das ist doch eigentlich eine schöne Idee. Pass auf, du darfst fünfmal schimpfen und dich 300-mal aufregen und dann ist deine Macht verbraucht und du verlierst deinen Job. Das wäre ja eine definierte Compliance. Du hättest genau definiert, was die Person darf und würdest die Person zwingen, dass sie quasi ohne den Missbrauch ihrer Macht in der Lage sein muss, auch ihren Job zu machen. Das wäre ja eigentlich ein ganz guter Ansatz. Aber grundsätzlich ist ja die Frage, wenn ich mich also diesem Thema jetzt annähern will als Kulturbetrieb Compliance Governance, heißt das also, ich muss mich hinsetzen, ich muss mir zum einen überlegen, was sind Fälle oder Themenbereiche, die ich regeln muss, regulieren muss und dann muss ich genau definieren, wie ich das tue.
Dirk Schütz
Ich glaube, es geht eher darum, wirklich für sich zu definieren, was ist denn unsere allergemeinsame Vision eines Hauses, was ist unser Leitbild, wofür sind wir eigentlich da, was machen wir und wie machen wir Dinge und auf welcher Werte- und Haltungsgrundlage basiert das Ganze, wenn man das dann auf diese Bereiche unterbricht. Und dann kann man darüber nachdenken, was bedeutet das dann für ein Regelwerk. Also wenn wir gewisse Werte gemeinsam leben wollen, auch Haltungen für uns definiert haben, wie soll sich das im Alltag widerspiegeln und was braucht es dann auch für Regelungen und für Absprachen, die das Ganze unterstützen, nicht nur intern, sondern dann auch in Bezug zu externen Partnerinnen und Partnern.
Julia Jakob
Mit der Absprache hast du auch noch einen weiteren wichtigen Punkt angesprochen, der in einem Beitrag, den ich noch nicht erwähnt habe, im Magazin aufgemacht wird. Christian Horn, Kulturdirektor der Stadt Erfurt, der aber mit dem Theater nichts zu tun hat, hat nämlich auch einen Beitrag für das Magazin geschrieben und betrachtet darin Compliance quasi aus Sicht der Räume für Kommunikation und stellt eben auch den Arena-Begriff, das ist ein Begriff, der aktuell in der Soziologie insbesondere durch Steffen Mau und Kollegen in Triggerpunkte aufgegriffen wurde. Wie der Konjunktur erfährt, stellt den Arena-Begriff in den Mittelpunkt und versucht daran eben auszumachen, welche Dialogräume es überhaupt, um Compliance in den Einrichtungen zu verankern, wie diese aber auch geschützt werden kann und welche Möglichkeiten es wiederum natürlich auch für Sabotage und anderen Missbrauch quasi gibt, wodurch die Strukturen dann umso anfälliger für Verstoße und weitere Missbrauchsfälle dann auch werden. Ich glaube, das ist an der Stelle auch nochmal ein ganz spannender Gedanke, den es sich auch lohnt, irgendwie weiterzudenken, gerade weil er das auch nur so als ersten Aufschlag für sich gesehen hat, da mal ein Essay drüber zu schreiben.
Dirk Schütz
Nur kurz zum Arena-Begriff, ich kann mich noch sehr gut erinnern, dass Volker Kirchberg in den 90er-Jahren hier zur Kulturhauptstadt in Weimar verschiedene Projekte zu diesem Begriff gemacht hat. Also dieser Begriff ist schon lange in der Diskussion der Soziologie, aber jetzt natürlich auch, wenn man sieht im größeren Umfeld, was unsere politische Landschaft betrifft, ist das natürlich ein ganz wichtiges Thema, kommt das natürlich da auch wieder hoch.
Julia Jakob
Genau, ich glaube Habermas war einer der Ersten.
Dirk Schütz
Also wie dann auch solche Arenen gekapert von Leuten, gerade wenn er das eben sagt, in Öffentlichkeiten, die eben einen ganz anderen Zuschlag mitbringen, als das eigentlich gewollt wurde.
Kristin Oswald
Das führt uns ja so ein bisschen wieder an den Anfang und zu einem Thema, das wir eigentlich noch gar nicht diskutiert haben in diesem Kontext, nämlich das Thema Haltung. Ich wollte aber gern vorher noch etwas empfehlen und zwar zu der Frage, wie auch die Personen innerhalb einer Organisation im Zweifelsfall mit solchen Prozessen umgehen, kann ich allen sehr ans Herz legen, die ersten beiden Staffeln der Serie „Die Morning Show“ mit Jennifer Aniston und Reese Witherspoon, denn die Serie beginnt ja damit, dass ein Missbrauchsskandal des Hauptmoderators der Morgennachrichten auftaucht und dann geht es zwei Staffeln lang zum einen darum, wie er selbst damit umgeht und ich will jetzt nicht zu viel spoilern, aber quasi natürlich am Anfang sich als total unschuldig wahrnimmt und das total verteidigt, aber auch Sätze sagt wie, ja hast du denn gedacht, ich als Moderator finde dich als Praktikantin interessant und wie aber auch seine Co-Moderatorin, gespielt von Jennifer Aniston, damit umgeht, auch in einen selbst reflektiven Prozess reingeht und wie Reese Witherspoon, die quasi als Ersatz für ihn in diese Position kommt, als Externe auch versucht, das zu verstehen, das aufzuarbeiten und das alles natürlich in einem journalistischen Kontext, das heißt eigentlich stellen die eben an sich selbst auch die Haltung zu sagen, wir müssen sowas aufgreifen, aufarbeiten, damit umgehen, verbessern, aber ich finde die Serie zeigt eben diese Entwicklungsprozesse, diese Denkprozesse, die da dranhängen, sehr sehr gut und auch wie unterschiedlich eben Personen mit sowas umgehen, wie eben manche sagen, wir müssen hier was tun, wir müssen hier was ändern, wie andere sagen, das hat mit mir nichts zu tun, ich habe nichts falsch gemacht und denen es also sehr schwer fällt, auch ihre Rolle in diesem Gesamtspiel einzugestehen und wenn wir das jetzt eben nochmal auf den klassischen Kulturbetrieb übertragen, dann ist Haltung da natürlich auch also ein Grundproblem, würde ich ja fast sagen, weil Haltung ist immer was, was Theater, Orchester, Museen wahnsinnig gerne als großes Ding vor sich her tragen, ja wir wollen die Leute zur Reflektion anregen, wir wollen kritische Themen anstoßen, was aber ganz viel eben hinter den Kulissen sehr stark passiert, das müssen wir glaube ich jetzt nicht nochmal begründen, dass das so ist und gleichzeitig sich ja aber auch vor Haltung scheuen, wenn wir beispielsweise eben an das Thema, was ja jetzt gerade ganz groß ist, rechte Tendenzen, wir sind hier in Thüringen, ihr wisst es alle, die Angst vor der nächsten AfD-Regierung ist sehr groß, aber da dann eben Haltung zu zeigen, dann wird sich oft auf Neutralität zurückgezogen und gesagt, naja, wir können hier keine Position beziehen, aber genau nämlich die Frage, ist das denn so? Und heißt es sich zum Beispiel zu Diversität oder Offenheit oder einfach zum Grundgesetz zu bekennen, ist das tatsächlich schon eine Haltung und machen sich Kulturinstitutionen nicht selbst quasi zu einem Spielball, wenn sie das nicht tun und wenn sie eben aber hintenrum das auch nicht unterstützen, ja, also wenn ich eben beispielsweise als Institution sage, ist mir doch egal, ob du Mutter bist und eine Familie hast, musst du halt zusehen, unterstütze ich damit nicht irgendwie auch gesellschaftliche Rufe danach, dass Frauen bitte wieder an den Herd zurückkommen sollen, also von daher ist immer dieses Haltung etwas, wo man sagt, ja, ist ja schön, ja, machen wir ja auch, aber ich finde, dass man das sehr stark in Frage stellen kann, ob das denn tatsächlich oder wie oft das tatsächlich passiert.
Dirk Schütz
Ja, und letztendlich zeigt es ja auch, wie man die Werte, die man für sich definiert hat, auch wirklich lebt, denn das ist ja auch Ausdruck von Haltung und ich glaube, wie du sagst, man wird zum Spielball, man ist auch wirklich lost in space, wenn man sich damit nicht auseinandersetzt. Ich selbst nutze den Begriff auch der Haltung viel, viel stärker jetzt beim Thema Organisationsentwicklung, viel stärker auch als Strategie, weil in diesen unsicheren und wirklich sehr, sehr schnelllebigen Zeiten werden Strategien morgen schon wieder obsolet, von daher ist wirklich ein gutes Fundament, was auf Werten und Haltung basiert, für mich, für eine Organisation viel wichtiger, in eine Zukunft zu steuern, ohne jetzt sehr, sehr weit vorausschauen zu müssen oder eben Fünf-Jahres-Strategien zu entwickeln und wenn man wirklich sehr gut formuliert und ausgeprägt und diese Dinge auch lebt, dann fällt es einem auch viel leichter, in solchen unsicheren Zeiten zu agieren und auf Dinge zu reagieren, die dann auf einen zukommen.
Julia Jakob
Ich glaube, gerade wenn man sich schwertut als Kultureinrichtung, gerade jetzt auch in diesem Rechtskrug, den wir ja alle verspüren, eine klare Position einzunehmen, sollte man sich vielleicht auch fragen, welche Verantwortung habe ich dann eigentlich meinen Mitarbeitenden im Haus gegenüber? Alleine das, ich komme darauf, weil ich gestern hier in Weimar auch auf einer Demo war und dort unter anderem auch der Generalintendant des Deutschen Nationaltheaters hier in Weimar gesprochen hat, Hasko Weber, und er einfach auch gesagt hat, wir haben über 20 verschiedene Nationen im Haus und allein denen gegenüber fühlt er sich verpflichtet, hier eben auch ganz klar Flagge zu zeigen auf so einer Veranstaltung.
Es waren auch sehr viele Schauspielende des Hauses dann vor Ort auf der Demo und haben eben für den Erhalt der Demokratie mitdemonstriert und ich glaube, an der Stelle sei auch nochmal allen Hörenden, insofern sie es noch nicht getan haben, der Beitrag von Gernot Wolfram empfohlen, der sich eben auch mit der Frage beschäftigt hat, inwieweit Kultureinrichtungen im verstärkten Maß zu Schutzorten in der Polikrise werden können und da wiederum aber auch quasi Schutzorte für die Demokratie sein können und müssen.
Dirk Schütz
Ich glaube ja auch, also ich persönlich glaube auch überhaupt nicht an den Neutralitätsbegriff, also das ist nicht einlösbar. In irgendeiner Weise schlägt man sich immer, auch wenn man nichts tut, auf irgendeine Seite oder man ist in anderen Handlungen dann wieder jemand, der sich zu etwas bekennt.
Kristin Oswald
Naja und wenn ich das beispielsweise auch aus der wissenschaftlichen Perspektive sehe, oft wird ja auch erwartet, dass Wissenschaftskommunikation neutral sein soll, aber da wo eben Wissenschaft oder auch Kunst oder einfach ein Erfahrungsschatz gewisse Dinge verdeutlicht und klar macht, dass beispielsweise zum Beispiel Diversität in Unternehmen auch gut ist für die Organisationsentwicklung, wenn man es denn richtig angeht, dann da dahinter zu stehen, heißt ja dann auch nicht politisch zu sein, sondern das heißt im Prinzip die Erkenntnis, die da ist, auch zu vertreten und auch zu sagen, wenn ihr von einer falschen Grundannahme ausgeht, dann können wir das ja nicht hinnehmen und das finde ich gilt aber auch für Kultureinrichtungen, damit zu arbeiten und am Ende ist ja auch die Gefahr, dass die künstlerische Freiheit eingeschränkt wird, wenn ich nämlich neutral bleibe und sage, ich bekenne mich zu gar nichts, weil wir müssen halt nur in die Parteiprogramme der AfD schauen, wo ganz klar ist, in Bezug auf Kunst und Kultur, es wird deutsche Kultur, whatever that means, gefördert, was bedeutet, jegliche Art internationaler Kunst, KünstlerInnen, künstlerische Einflüsse, Einflüsse würde dann eben keine Förderung mehr bekommen, wir wissen nicht, wie das mit Personal wäre, da müssten wir jetzt raten, aber es ist im Prinzip ganz klar, dass hier eine völlig irre herbeigedachte homogene Art deutscher Kunst gefördert werden soll und alles andere eben nicht mehr und das wäre am Ende die Konsequenz, wenn wir sagen würden, wir zeigen hier keine Haltung und was machen wir dann?
Dirk Schütz
Also was das bedeutet, sieht man ja in verschiedenen Ländern in Europa, die autokratischer sich entwickelt haben und ich erinnere mich sehr gut an meine Diplomarbeit, die ich hier in Weimar schreiben durfte, weil ich durch Zufall mit einer Dozentin auf ein Archiv des Deutschen Turmkünstlerverbandes gestoßen bin und dort die Gleichschaltung dieser Verbände auch mit untersucht habe, wie schnell das geht und da darf man sich keine Illusionen hingeben.
Kristin Oswald
Du siehst es ja jetzt schon auf der kommunalen Ebene, ich weiß, dass hier in Thüringen ist das beispielsweise bei den Museen schon jetzt sehr stark so, dass die AfD-Leute in den Stadträten, in den kommunalen Gremien dann beispielsweise dafür sorgen, dass Leute nicht verlängert werden, dass Stellen umgewidmet in der Ausschreibung, in der Ausrichtung verändert werden, damit ein Museum eben ganz klar ein Heimatmuseum beispielsweise ist und damit da bestimmte Ausrichtungen vertreten werden und man eben Leute loswerden will, die diese Ausrichtungen, die dem nicht entsprechen und von daher müssen wir uns da keiner Illusion hingeben, dass das nicht passiert, weil es passiert eben jetzt schon auf der kleinen Ebene und die Frage, was ist, wenn wir das auf der großen Ebene haben, also da mache ich mir keine Illusion, dass das dann irgendwie schon gut gehen wird, muss ich ganz ehrlich sagen.
Julia Jakob
Ja und ich glaube, was man an der Stelle auch nicht vergessen darf und wir kommen jetzt hier sehr raus aus den Kulturbetriebsthemen, dass man und das hat Silke jetzt gerade auch schon anklingen lassen, dass man all diese Aussagen von populistisch denkenden Menschen ernst nehmen muss, dass das nichts ist, was die einfach nur versprechen oder in den Raum hineingeben und als mögliche Idee, sondern dass das Dinge sind, die sie genauso vorhaben umzusetzen und dass man an der Stelle natürlich dann wiederum auch in der Berichterstattung viel mehr darauf achten muss, was man wie einordnet, vielleicht auch kontextualisiert stärker eben auch klar macht, dass das eine echte Gefahr ist und dass das nichts ist, was möglicherweise passieren könnte, wenn die an die Macht kommen, sondern dass sie das schon immer alles sehr ernst meinen.
An der Stelle für alle, die sich fragen, was man selber vielleicht auch noch so tun kann für den eigenen Demokratieerhalt, auch wenn man sich vielleicht gerade sehr lost fühlt, kann ich den Podcast Piraten seiner Powerplay in der aktuellen Folge sehr empfehlen, in der Samira El-Ouassil und Friedemann Karig als Host fünf Tipps geben, wie man sich gerade gegen den Rechtsruck selber wappnen kann, was man dafür tun kann, damit es eben nicht weiter ausartet und vielleicht auch stärker sich traut, seine eigene Haltung zu bewahren und zu positionieren.
Kristin Oswald
Bevor wir jetzt zum nächsten Thema wechseln, denn wir wollen natürlich auch noch über schöne Dinge heute sprechen, möchte ich gerne noch mal den Hinweis geben an alle, die uns jetzt hören, wenn ihr Erfahrungen mit solchen Themen gemacht habt, dann meldet euch gerne bei uns, denn tatsächlich haben wir darüber diskutiert, ob wir eben gerade vor der Landtagswahl in Thüringen, die da ja leider in diesem Jahr sehr große Veränderungen mit sich bringen kann, das viel stärker nochmal in unserer Berichterstattung aufgreifen und auch solchen Themen mehr Raum geben, als wir das vielleicht üblicherweise tun. Also wenn ihr Erfahrungen damit gemacht habt, wie bestimmte Gruppierungen Einfluss auf die Kulturarbeit konkret nehmen, wenn ihr Ideen für Handlungsweisen habt, um damit umzugehen, wenn ihr euch grundsätzlich damit beschäftigt, wie beispielsweise eine rechte Landesregierung sich auf Strukturen im Kulturbetrieb auswirken würde, dann schreibt uns unbedingt, damit wir mit euch sprechen, vielleicht eure Beiträge, eure Erfahrungen im Vorfeld der Landtagswahl in Thüringen bei uns veröffentlichen können und wir beziehen uns dabei natürlich nicht nur auf Thüringen, also wenn ihr da aus dem ganzen Bundesgebiet, vielleicht auch aus anderen Regionen, genau, dann stoßt ihr da bei uns auf jeden Fall auf offene Türen und wir freuen uns, wenn wir das Thema dann in diesem Kontext mehr beleuchten können. Nun zu etwas Erfreulicherem.
Tatsächlich wurde im Januar 2024 wieder der Preis der Kultur- und Kreativpiloten verliehen. Ein Thema, das uns hier bei Kultur Management Network schon sehr lange begleitet. Wir stellen auch in jedem Jahr die Gewinner und Gewinnerinnen vor, weil wir das eigentlich für sehr wichtig halten.
Warum? Die Kultur- und Kreativpiloten, das ist eine Auszeichnung des Bundes, die jedes Jahr besonders innovative, vielversprechende Unternehmen aus dem Bereich der Kultur- und Kreativwirtschaft auszeichnet. Dabei sind immer auch spezifisch Unternehmen aus der Kulturwirtschaft, das heißt nicht nur unbedingt Games-Industrie, Architektur, Fashion, sowas ist natürlich auch immer dabei und auch meistens in der Mehrheit dabei, aber es sind immer auch Unternehmen dabei, die sich spezifisch der Kultur widmen, das heißt, die entweder beispielsweise Dienstleistungen für den öffentlichen Kulturbereich anbieten oder die eben selbst Kunst und Kultur machen, ganz häufig und auch in diesem Jahr kommt das aus dem Bereich Film, aus dem Bereich Literatur, also dann gibt es zum Beispiel in der Verlage neue Konzepte für Buchhandlung, Leute, die Film beispielsweise im Hinblick auf Diversität beraten und dort Veränderungen herbeiführen wollen oder auch im Bezug auf Nachhaltigkeit zum Beispiel und wo man auch sieht, dass also diese aktuellen Themen, die debattiert werden, natürlich auch in diesem Kontext immer wieder auftauchen. Wir finden das sehr wichtig, weil diese Preisverleihungen und diese Unternehmen eben auch zeigen, dass man durchaus auch wirtschaftlich erfolgreich sein kann im Kulturbereich, also dass es auch Ansätze dafür gibt, dass nicht immer alles öffentlich gefördert sein muss und dass hier Mut zur Veränderung auch sehr erfolgreich sein kann. Wir wissen, dass gerade auch so Beratungstätigkeit zu so Nischenthemen kann wirtschaftlich sehr, sehr erfolgreich sein.
Zugleich sieht man aber auch zwei Dinge, über die ich gerne auch mit euch sprechen würde. Das eine ist nämlich, fast alle Unternehmen, ich glaube bis auf zwei, die in diesem Jahr aus dem Bereich der Kulturwirtschaft ausgezeichnet wurden, kommen aus Berlin, was nicht unbedingt heißt, dass sie in Berlin entstanden sind, aber dass auf jeden Fall das Berlin der Unternehmenssitz ist, was ja sehr kritisch ist und es sind schon seit einigen Jahren fast niemand mehr dabei, der sich dem Bereich der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen widmet.
Dirk, du beschäftigst dich ja schon sehr lange mit dem Thema Unternehmertum im Kulturbereich. Wir sind ja selbst ein Kulturunternehmen. Welchen Eindruck hast du denn so von den Kultur- und Kreativpiloten oder allgemein von diesem Bereich, wie der sich so entwickelt hat?
Glaubst du, dass das immer noch so eine Vorbildwirkung eigentlich hat?
Dirk Schütz
Doch, denke ich schon. Gerade bei allen Diskussionen, die man jetzt führt und hört, gerade was auch politische Entscheidungen und ähnliches betrifft, kommt es einem wirklich manchmal sehr schwierig vor oder entmutigt. Man wird ein bisschen entmutigt, selber zu gründen. Auch im eigenen Erleben über die, wie lange bin ich jetzt schon selbstständig, seit 2003, also 21 Jahre, habe ich natürlich immer wieder Auf- und Abs erlebt, die nicht ohne sind und es ist schon was Besonderes, unternehmerisch und selbstständig tätig zu sein. Von daher finde ich es schon wichtig, das zu zeigen, dass es immer wieder neue Ideen, Ansätze gibt, die Leute dazu führen, sich selbstständig zu machen. In der ganzen wissenschaftlichen Aufarbeitung von Gründertum war zumindest in den letzten Jahren auch zu sehen, dass Gründungen häufig eben nicht von jungen Leuten erfolgt sind oder aus Hochschulen heraus, was man am Anfang so dachte, sondern zum Teil auch später. Wenn ich jetzt sehe, aber wer unter den Kultur- und Kreativpiloten dabei ist, sind eben wirklich auch junge, durchaus junge Menschen dabei und das macht ja auch Mut und das Themenspektrum finde ich auch sehr interessant. Es ist sehr weit gefasst. Von daher glaube ich, es ist schon wichtig, sowas zu haben und das auch zu vermitteln, um eben Leuten auch zu zeigen, es macht durchaus Sinn und es kann auch wirklich ein guter Weg sein, sich selbstständig zu machen mit Ideen und es gibt da eben auch Strukturen, die einem helfen dabei oder eine Unterstützung bieten oder eben auch, was auch ganz wichtig ist, Öffentlichkeit erst mal bieten, um eben wahrgenommen zu werden jenseits von all den Diskussionen, die man immer so um Unicorns und so hat, also besondere Unternehmen, die schnell einen Milliardenwert bekommen, die aber auch genauso schnell wieder verglühen können. Das ist ja auch immer interessant zu sehen, wie schnell so Unternehmen nach oben kommen und dann plötzlich weg sind. Also ob das jetzt in der Food Delivery ist oder wo auch immer, also überall gibt es ja solche Unternehmen, die plötzlich aufgekauft sind, die nicht mehr da sind und riesig gehypt waren, das gab es schon immer. Und ich glaube, vom Nachhaltigkeitsaspekt her ist sowas wie diese Gründerschaft der Kultur- und Kreativpiloten schon auch etwas, was nachhaltiger sein kann, weil es auch anders funktioniert.
Kristin Oswald
Tatsächlich ist es aber so, wenn man sich nach ein paar Jahren dann nochmal nach denen umschaut, sehr viele davon existieren dann auch nicht mehr. Aber das liegt auch in der Grundnatur der Sache und ich glaube, diese Angst vor dem Versagen, die ist ganz oft da, aber ich glaube, das ist an sich gar nicht so schlimm, sondern man versucht was, man schaut, ob es funktionieren kann und wenn es nicht funktioniert, dann verändert man es oder man gibt es auf. Und das ist ja was, was gerade im klassischen öffentlichen Kulturbereich eben nicht passiert, obwohl es vielleicht manchmal ganz gut wäre.
Was mir immer auffällt, ist, dass wir natürlich als Unternehmen, als Mitarbeiterinnen eines Unternehmens ganz anders denken als Menschen, die in öffentlich geförderten Kultureinrichtungen denken. Denn für uns ist ganz klar, alles was wir tun, muss auf unsere UserInnen ausgerichtet sein. Es muss für die interessant sein, es muss auf ihre Bedürfnisse fokussieren, es muss ihnen einen Mehrwert bieten und wir denken uns sicher ganz oft, dass wir ganz tolle Sachen auch machen könnten oder gern mal machen würden.
Aber wenn es eben von den Menschen nicht angenommen wird, für die wir es machen, dann ist es, dann rentiert es sich und das muss man einfach so sagen, für uns nicht und wir leben eben von dem Geld, das wir selbst verdienen. Ich denke ganz oft, wenn ich auch mit Kultureinrichtungen zusammenarbeite, dass das was ist, was denen auch sehr stark fehlt, nämlich die Frage, was wollen eigentlich die Leute da draußen von uns, was bieten wir denen, was können wir machen, was einen Mehrwert für die darstellt. Gleichzeitig muss ich sagen, sehe ich aber auch bei den Kultur- und Kreativpiloten, wenn ich mir die Themen und die Ansätze angucke, eigentlich auch wenig wirklich Innovatives, weil ganz oft ist es eben Beratungen, ganz oft.
Was in Ordnung ist, ja, also weil gerade die großen Betriebe brauchen natürlich auch Expertise von außen, um sich zu verändern, aber meistens ist eben quasi dann, die Art der Finanzierung ist wiederum indirekt über die großen, von denen sie bezahlt werden und ich habe das Gefühl, es gibt wenig, wo wirklich innovative Geschäftsmodelle entwickelt werden, die, ja, wo man eben versucht, ganz anders einen Mehrwert zu generieren, der dann auch über entsprechende Finanzierungsmodelle, ja, sich rentieren kann.
Dirk Schütz
Das ist aber, also da muss man dann noch mal gucken, in was für einer Gründungslandschaft wir eigentlich hier in Deutschland sind. Wir haben natürlich lange nicht so viele Geldgeber, wie das anderswo ist, der wirklich unterschiedlichsten Startups unterstützen, also da reden wir von viel, viel weniger Geld als in Nordamerika beispielsweise, um viel, viel größeres Bewusstsein dafür da ist, Risikokapital irgendwo reinzugeben und Leute erst mal machen zu lassen und dann können dort natürlich auch vermeintlich extremere Modelle dann eben auch sich entwickeln und durchsetzen. Was mir gefällt bei den Kultur- und Kreativpiloten, es muss ja nicht immer das völlig Neue sein, was ganz häufig zu beobachten ist, dass die Leute auch Schnittstellen herstellen oder Dinge verbinden, die eben irgendwo noch keine Verbindung haben und auch das ist eigentlich wichtig, dass es das gibt und dass man nicht immer erfolgreich ist, das weiß ich selbst. Ich habe, glaube ich, in meinem Leben ja Ziegenunternehmen gegründet, drei gibt es noch und in einem bin ich noch allein tätig, also oder bin ich noch tätig und mit euch zusammen, aber erstens zeigt das, man muss einfach Optimist sein, um ein Unternehmen zu gründen und es macht auch Spaß, das mal zu durchleben und es muss einen auch nicht entmutigen.
Ich weiß noch ganz genau, als Anfang der 90er einen Fahrradkurierdienst gründen wollte und der scheiterte dann daran, also das Geschäft war alles schon angemeldet, aber es scheiterte daran, dass ich kein Telefon bekommen habe, kein Telefonanschluss. Das heißt, ich hatte alles schon vorbereitet und so war mir auch klar, dass ich über Walkie-Talkies mit den Leuten reden kann, aber die Kunden wussten ja gar nicht, wie sie mich erreichen sollen, also musste ich das dann leider einstellen. Es war ein bisschen zu früh und das ist ganz häufig so, man ist häufig zu früh mit Dingen oder es passt nicht.
Es ist ja auch eine Kunst, wirklich genau die Nische zu treffen und da auch ein Geschäftsmodell zu entwickeln, was langfristig trägt und was man dann auch ausweitet und bei manchen Dingen ist es eben so, dass das durch die Decke gehen kann und riesige Unternehmen werden daraus und bei manchen, wie bei uns zum Beispiel, wir sind halt sehr nischig und wir kämpfen halt jeden Tag darum, uns weiterzuentwickeln und eben auch Bereiche für uns zu erschließen, die uns eben auch ein Überleben ermöglichen.
Julia Jakob
Ich glaube, was man vielleicht auch an der Stelle, also Dirk meinte ja jetzt gerade schon, dass es manchmal auch einfach nicht die richtige Zeit ist, selbst wenn man irgendwie eine geile Idee hat, aber die einfach zehn Jahre zu früh kommt, weil andere Faktoren dann noch mit reinspielen, ob du jetzt Erfolg hast oder nicht und sei es nur sowas Basales wie ein Telefonanschluss, der aber halt in den 90ern sehr rar gesehen war.
Dirk Schütz
Im Osten.
Julia Jakob
Im Osten, genau. Und dann natürlich aber auch gerade, was so die Risikobereitschaft anbelangt. Ich meine, jetzt haben wir gerade das zweite Jahr nach der richtig krassen Pandemiephase vorbei, würde ich sagen, ist sie noch nicht, aber wo allein die Kultur- und Kreativwirtschaft ja doch auch sehr gebeutelt war und dass man dann vielleicht umso mehr jetzt erst mal zurückhaltender geworden ist, was das Gründen an sich vielleicht auch anbelangt und aber auch an der Stelle zu schauen, was ist denn gerade eigentlich das, was die Leute insbesondere in den Kultureinrichtungen vielleicht am ehesten brauchen und wenn dann sowas wie Beratung doch das Innovativste ist, was du machen kannst, weil auch am hilfreichsten, dann wahrscheinlich go-for-it. Ich habe auch gerade noch daran gedacht, dass vielleicht eine weitere Entwicklung, weil Dirk ja auch meinte, dass man eigentlich eher aus den Hochschulen herausgedacht hat, an der Musikhochschule in München ist ja beispielsweise der Startup-Inkubator WaveLab angesiedelt, wo man ganz besonders eben den Fokus darauflegt, Leute aus dem Kultur- und Kreativwirtschaftsbereich dahingehend zu fördern, zu gründen, ihre Ideen auszuprobieren, das noch so als weiteren Input.
Dirk Schütz
Vielleicht dazu noch der Hinweis, wir müssen uns auch ganz klar machen, wir sind sehr davon geprägt, dass der Kulturbereich wirklich öffentlich gefördert wird, also da eine Denke zu entwickeln, dass man sich selbstständig macht und Eigengeld generiert. Viele gehen nämlich dann nach der Gründung auch wieder den Weg, dass sie versuchen, Subventionen doch irgendwie zu bekommen. Das ist schon nicht so einfach, auch diese gedankliche Hürde, diese Erfahrung, die man mit dem Kulturbetrieb selbst gemacht hat, zu überwinden und sich auf eigene Füße zu stellen.
Kristin Oswald
Und na klar ist Beratung da auch besonders vielversprechend, einfach weil so viel Veränderungsbedarf in den Häusern besteht. Ich finde es aber eben sehr auffällig, dass sehr, sehr viele, die absolute Mehrheit der Unternehmen, die ausgezeichnet worden sind, in Berlin angesiedelt sind. Weil das ist ja durchaus ein Problem, das wir auch im größeren Kulturbereich sehen, dass Innovation, Weiterentwicklung ganz stark an Vernetzung hängt.
Und dass Vernetzung in den Metropolregionen und gerade in Berlin einfach viel stärker passiert und viel besser funktioniert, als das beispielsweise hier bei uns in Thüringen der Fall ist. Wo eben die Klassikstiftung und Schloss Friedenstein-Gotha und die drei großen Theater irgendwie die Landschaft sehr stark dominieren. Aber es vielleicht gerade auch da, und wieder ein Hinblick auf Rechtsruck und so weiter, eigentlich viele Chancen gibt, auch unternehmerisch und beratend tätig zu sein, weil man muss das ja auch nicht deutschlandweit.
Und man kann das ja beispielsweise auch speziell mit einem Fokus auf was brauchen beispielsweise die Kulturinstitutionen in der Breite, in den ländlichen Räumen, in den Regionen, in denen das Publikum eben nicht vor der Haustür wohnt und man nicht sich jeden Tag bei irgendeinem Abendplausch mit anderen Leuten austauschen kann darüber, was gerade in der Stadt passiert und darüber auch Projekte bekommt, im Zweifelsfall Gelder bekommt, Ideen entwickelt. Von daher ist das eigentlich was, was wir auch schon lange beobachten und was wir auch sehr kritisch sehen, dass vielmehr auch die Vernetzung in den ländlichen Regionen unterstützt werden müsste, wenn wir alleine überlegen, wie viele Tagungen finden hier bei uns in Thüringen statt, die sich mit dem klassischen Kulturbereich beschäftigen, im Vergleich zu Berlin. Also wie oft fahren wir woanders hin und wie oft können wir quasi einfach da bleiben, wo wir sind, wie viele Formen von Stammtischen oder anderen Vernetzungsformen gibt es hier.
Dann ist das einfach meiner Meinung nach ein großes Problem, weil es eben auch Veränderungen, Innovationen, neue Ideen eigentlich unterdrückt und ganz viel von diesen Leuchttürmen aber weiterhin, gerade in Berlin, aber eben auch in den anderen Metropolregionen fördert. Von daher finde ich es eigentlich sehr wichtig, dass wir nochmal die Kulturschaffenden außerhalb der großen Städte auch stärken und ermutigen und sagen, vernetzt euch, sprecht miteinander, entwickelt Ideen, seid auch mutig, wenn es da beispielsweise darum geht, Unternehmen zu gründen. Ich glaube, gerade weil wir durch die Pandemie so viele Kulturschaffende auch an andere Sektoren verloren haben, es gleichzeitig aber auch einen Personalmangel gibt, ist hier eben auch wieder für Beratung und Freiberuflichkeit sehr viel Raum frei geworden, um da auch neue Ansätze der Zusammenarbeit zu entwickeln.
Dirk Schütz
Ja, was da dazugehört, kann ich ja aus eigenem Erleben auch sagen, ist natürlich, dass auch Verantwortliche die Förderungen zum Beispiel für Startups und Ähnliches entwickeln, teils in der Wirtschaftsförderung oder in anderen Bereichen, dann wirklich auch mal schauen, was brauchen solche Unternehmen und können wir die Förderinstrumente, die wir haben, was nämlich häufig nicht der Fall ist, auch auf solche Unternehmen abstimmen und verändern. Dann kann ich die auch besser unterstützen. Ich weiß sehr genau, dass wir selbst als Unternehmen ganz häufig auch schon darüber nachgedacht haben, ob bestimmte Förderinstrumente für uns gehen und es geht einfach nicht, weil sie nicht auf unsere Bedürfnisse oder auf die Dinge, die wir brauchen, zugeschnitten sind, sondern stärker auf Industrieunternehmen oder auf mittelständische Unternehmen, die natürlich zum Teil ganz andere Herausforderungen haben oder auch Probleme haben, die sie gelöst haben wollen.
Also das braucht es dann auch, weil eben, wenn man nicht in den Betrieben sitzt, eben dann auch privates Geld nicht in dieser Größenordnung da ist. Und dann helfen auch manchmal kleine Beträge, aber die Instrumente müssen auch darauf hin angepasst werden. Und was ja nach wie vor erstaunlich ist, welche Wirtschaftskraft eigentlich die Kultur- und Kreativwirtschaft tatsächlich hat, das wird ganz häufig unterschätzt auch von Verantwortlichen der Politik und da müsste eine höhere Sensibilität da sein, um den Leuten das einfach zu ermöglichen, um nicht ganz das wieder ins Depressive zu bringen, aber trotzdem auch wichtig zu schauen, weil wir ja eben gerade über die Corona-Zeit und die Corona-Hilfen, die damit verbunden waren, auch sprechen. Derzeit gibt es sehr, sehr viele Kreative, die in große massive Probleme gekommen sind, dadurch, dass sie diese Corona-Hilfen in Anspruch genommen haben, weil sie einfach keine Einkommensquellen hatten, jetzt aber sich damit konfrontiert sehen, dass sie das Geld zurückzahlen müssen und wirklich vor existenziellen Problemen stehen. Und auch da könnte eigentlich auch durchaus die Initiative des Bundes und auch andere Initiativen, die eben die Kreativwirtschaft unterstützen, wirklich mal sich darum kümmern, dort auch mal einzuhaken und zu schauen und auf Politik einzuwirken, dass man das vielleicht auch verändern kann.
Kristin Oswald
Liebe Kulturschaffende, liebe Kreative, lasst euch davon nicht entmutigen, wir hoffen, die nächste Pandemie steht nicht kurz bevor…
Julia Jakob
…oder dass wir anders darauf reagieren als Gesellschaft.
Kristin Oswald
Von daher, wenn ihr eine Idee habt, sei es, um euch selbstständig zu machen, sei es, um euren Betrieb zu verändern, sei es, um Compliance- und Governance-Regeln einzuführen oder mit der AfD in eurem Stadtrat umzugehen, seid mutig, wir drücken euch die Daumen dafür, meldet euch gern auch bei uns und seid euch immer im Klaren darüber, dass es für alles Unterstützung und Netzwerke tatsächlich gibt. Manchmal ist man sich dessen aber nur nicht bewusst und wenn es einem dann bewusst wird, dann fühlt es sich im Zweifelsfall immer noch mal sehr viel besser an und man geht sehr bestärkt aus der Sache raus. Von daher seid euch sicher, wir stehen auf jeden Fall immer hinter euch und wenn ihr Unterstützung braucht, dann meldet euch gern bei uns.
Wir danken euch, dass ihr bei dieser vierten Folge Dienstags im Koi dabei wart. Alle weiteren Infos, Themen, Inhalte verlinken wir euch natürlich in den Shownotes und wünschen euch noch eine gute Zeit. Bis zur nächsten Folge.
Julia Jakob und Dirk Schütz
Tschüss!
Abspann
Das war „Dienstags im Koi“, der Podcast von Kulturmanagement.net und wir hoffen, ihr schaltet auch beim nächsten Mal wieder ein. Über Feedback, inhaltliche Anregungen oder andere Kritik freuen wir uns per Mail an redaktion.kulturmanagement.net. Bis zum nächsten Mal!